Falträder für Reisen und mehr
Das eigene Fahrrad mit in den Urlaub zu nehmen, ist praktisch und günstig. Doch was tun, wenn man weder einen Träger fürs Dach, noch für die Anhängerkupplung hat? Die Lösung: Falträder. Wir stellen sechs Modelle vor, die sich – mal mehr, mal weniger – klein machen können.
Falträder. Ach ja, das sind doch diese fürchterlich klapprigen Dinger, mit denen man kaum einen Meter bequem fahren kann. Falsch gedacht. Hochwertige Falträder sind heutzutage echte Künstler. Kaum zu glauben, wie viele verschiedene Mechanismen sich die Hersteller ausdenken, um das Rad möglichst handlich und klein werden zu lassen. So wird aus einem Paket, das locker mit einer Hand zu tragen ist, in wenigen Sekunden ein richtiges Fahrrad. Teils sogar mit Schutzblech, Gepäckträger und jeder Menge Komfort – selbst für groß gewachsene Menschen.
Für unseren Test haben wir sechs Falträder ausgewählt, die unterschiedlicher kaum sein könnten – und deswegen auch nicht miteinander verglichen werden. Allen voran das Faltrad schlechthin von Brompton, das sich mit Abstand am kleinsten machen lässt. Das Strida LT besticht mit seiner ganz besonderen Rahmenform und einfachem Faltmechanismus. Eine Innovation ist das elektrische Vello Bike+, das seinen Akku durch Rekuperation auflädt. Das Montague Allston überzeugt als vollwertiges Rad in normaler Größe bei maximaler Platzersparnis nach dem Falten. 170 Kilogramm darf das Tern HSD transportieren, kann sich allerdings nur wenig verbiegen. Und dann wäre da noch das Gretel von Bernds als bequemer Tiefeinsteiger made am Bodensee.
Wichtigstes Kriterium beim Test war natürlich der Faltmechanismus: Wie leicht und intuitiv lässt sich das Rad falten? Und wie lange dauert es? Ob ein Faltrad in den Kofferraum passt, liegt am Fahrzeug. Wir haben für unseren Test alle Modelle in einem VW Touran (Baujahr 2015) verstaut – mit Erfolg. Jedes Rad passte locker hinein, bei weiterhin mindestens drei Sitzplätzen. Wir hätten sogar vier Falträder auf einmal mitnehmen können. Außerdem war uns noch wichtig, für welche Einsatzgebiete die Falträder geeignet sind und ob sie an jede Körpergröße angepasst werden können. Letztlich beschäftigte uns die Frage, ob die Räder genauso bequem und alltagstauglich sind wie ein vollwertiges Rad ohne Faltmechanismus. Natürlich im Hinterkopf die Tatsache, dass es durch die Faltmöglichkeiten immer kleinere Einschränkungen im Komfort geben wird.
Uns ist bewusst, dass manche Testräder nicht über eine StVO-konforme Straßenausstattung verfügen. Diese ist jedoch bei jedem Hersteller erhältlich, nur eben nicht immer Serie. Die Falträder sind häufig den Kundenwünschen entsprechend individuell anpassbar – egal ob Sattel, Mehrgangschaltung oder eben Lichtanlage. Und genauso individuell ist auch der Einsatzzweck von Falträdern. Reisen ist nur eine Option. Sie eignen sich auch gut für Pendler, da sie als Gepäckstück mit im Öffentlichen Nahverkehr transportiert oder direkt bis ins Büro mitgenommen werden können. Wahre Künstler also, diese Falträder – nur leider nicht immer preiswert.
Tern HSD S8i: Der Packesel
Klein, rot, tiefer Einstieg, 25 km/h. Beim ersten Anblick des Tern HSD S8i springen die Gedanken 17 Jahre zurück. Das Faltrad erinnert an das alte rote Solo-Mofa, das einen zuverlässig von A nach B gebracht hat. Doch mit dem Tern wird man nicht so mitleidig angeschaut wie damals. Im Gegenteil: Das E-Bike ist cooler Hingucker und Gesprächsthema.
Zwar lässt sich das Tern HSD von allen Falträdern am wenigsten klein machen, da nur der Lenker mit zwei raschen Handbewegungen nach unten weggeknickt werden kann. Dennoch passt es in den höheren Kofferraum eines Vans, Kombis oder größeren SUV, auch wenn es mit 25,4 Kilogramm recht schwer ist. Dafür ist das Fahrrad ein echter Packesel und als Zweitwagen-Ersatz für die Stadt geeignet. 170 Kilogramm darf es laden und sogar einen Fahrradanhänger ziehen. Sattel- und Lenkerhöhe lassen sich für Fahrer von 1,50 bis 1,95 Meter anpassen.
Ohne Anstrengung
Da das Tern HSD genauso stabil ist wie ein normales Fahrrad, kann auf dem extralangen Gepäckträger auch ein Kind im Sitz mitfahren. Dennoch ist es mit 170 cm Länge kürzer als ein normales Rad. Ein stabiler Stand macht das Einsteigen des kleinen Passagiers ganz einfach und sicher.
Dank Bosch-Mittelmotor mit einer Akkuleistung von 500 Wh ist der Transport von Kind und Einkäufen gar kein Problem, um nicht zu sagen: völlig unanstrengend und schweißfrei. Praktisches Zubehör wie Taschen und Körbe schaffen Platz für alles Mögliche. Den Fahrspaß kann kaum etwas trüben. Lediglich schnelle Kurvenfahrten sind aufgrund des tiefen Pedalstands heikel, da man dann am Boden aufsetzt. Ansonsten ist das Tern HSD eine echte Alternative zum Auto.
Daten Tern HSD S8i
Größe: 20 Zoll
Faltmaße: 163 x 40,5 x 86 cm
Preis: ab 3999 €
Infos: www.ternbicycles.com
Vello Bike+: Der Ausdauerläufer
Jeder der schon mal ein Hybrid- oder Elektroauto gefahren ist, kennt das erhebende Gefühl, rekuperierte Energie aus einem Bremsvorgang wieder für die Beschleunigung nutzen zu können. Ähnlich ergeht es uns mit dem faltbaren Pedelec namens Vello Bike+. Fahren wir bergab, bremsen oder lassen die Pedalkurbeln rückwärts rotieren, fungiert der Motor als Generator und leitet Strom in den 160-Wh-Akku in der Hinterradnarbe. Als wäre das alleine noch nicht genug, verfügt das Vello Bike+ zudem über einen Neigesensor. Dieser erkennt, ob wir uns bergauf oder bergab bewegen und dosiert den elektrischen Schub je nach Leistungsabfrage. Wie bei einem herkömmlichen Pedelec kann der Strom per Ladekabel auch über eine Haushaltssteckdose zugeführt werden. Zwar fehlt ein Display am Lenker, doch haben sich die Entwickler eine Smartphone-App ausgedacht, auf der sich etwa Akku-Kapazität oder die gefahrene Geschwindigkeit ablesen lassen. Optional sogar mittels Halterung direkt am Lenker. Weiterhin fehlt eine Schaltung, doch wurde die Übersetzung so gewählt, dass mit dem Rad sogar längere Touren mit Geschwindigkeiten bis zu 25 km/h möglich sind.
Starke Magnete halten
Nach so viel Technik: Falten lässt es sich natürlich auch, mit ein wenig Übung innerhalb von rund 30 Sekunden. Ein starker Magnet verbindet Rahmen und Hinterrad, mit beherztem Druck lässt sich beides voneinander lösen. Schraube aufdrehen, Sicherungsstift trennen und schon schwingen Gabel und Vorderrad zur Seite, die gleichfalls mit einem Magneten am Hinterbau fixiert werden. Der Lenker lässt sich dank zweier Schnellverschlüsse verkürzen, Sattelstange einfahren – fertig! So kompakt passt es sogar in den Kofferraum eines Kleinwagens.
250-Watt-Motor und Akku fordern allerdings ihren Tribut: 13,9 Kilo eignen sich nicht für tägliche Treppenhausläufe. Ansonsten ist es eine Probefahrt wert.
Daten Vello Bike+
Größen: 20 Zoll
Faltmaße: 57 cm x 79 cm x 29 cm
Preis: ab 2590 €
Infos: www.vello.bike
Brompton: Der Klassiker
Unter den klappbaren Rädern genießt das Brompton den Status eines Kultobjekts. Das liegt vor allem am cleveren Faltmechanismus. Mit etwas Übung ist es in nicht mal 20 Sekunden klein gemacht. Eine Verriegelung wird gelöst, schon lässt sich das Hinterrad schwungvoll einklappen. Dann den Verschluss an der horizontalen Rahmenstange öffnen und das Vorderrad neben dem Hinterrad einrasten. Anschließend Sattel, linkes Pedal und Lenker einfahren bzw. -klappen, schon steht der Drahtesel kompakt und umkippsicher auf kleinen Hilfsröllchen bereit. Das funktioniert nicht auf Anhieb intuitiv, ist aber schnell erlernt. Die richtige Reihenfolge der Schritte ist wichtig, damit alles schön zusammenpasst.
Vielfältiger Allrounder
Ein, zwei Sekunden schneller ist das Brompton komplett fahrbereit entfaltet. Dann beweist es mit kräftig zupackenden Bremsen erstaunliche Alltagstauglichkeit. Selbst längere Ausflüge bereiten auf den 16-Zoll-Reifen Freude, die sich nur auf den ersten Metern etwas wackelig anfühlen. Dank zweifach höhenverstellbarer Sattelstütze lässt sich das wendige Rad auf unterschiedliche Körpergrößen anpassen. Neben Extras wie Schutzblechen und Batterielicht ist die Sechsgang-Schaltung (292 Euro) zu empfehlen. Mit ihr fährt man flott auf ebener Strecke und meistert Steigungen ohne Schweißausbrüche. Vorne und hinten lassen sich Taschen für Einkäufe montieren, auch ein Gepäckträger ist möglich.
Dank vielfältiger Konfigurationen, Farben, limitierter Editionen und sogar einer Elektro-Variante wird das Brompton zum echten Allrounder für individuelle Ansprüche.
Daten Brompton
Größen: 16 Zoll
Faltmaße: 57 x 59 x 27 cm
Preis: ab 1109 €
Infos: https://de.brompton.com; www.voss-spezialrad.de
Strida LT: Der Sonderling
Für die Liebe auf den ersten Blick hat es beim Strida LT nicht gereicht. Das Faltrad sieht mit seinem dreieckigen Rahmen, den kleinen Kunststofffelgen und dem Mini-Gepäckträger etwas exotisch aus. Fahrer mit einer Körpergröße jenseits der 1,90 Meter sollten zudem über eine gesunde Portion Selbstbewusstsein verfügen, der ein oder andere amüsierte Blick ist nicht ausgeschlossen. Die Sattelhöhe lässt sich leider nur unpraktisch per Schraubenklemmung um wenige Zentimeter verstellen, höherpreisige Versionen verfügen immerhin über Schnellspanner.
Einfach transportieren
Wer die praktischen Eigenschaften eines Faltrades einer guten Figur vorzieht, kann mit dem Strida LT aber glücklich werden. Im zusammengefalteten Zustand lässt es sich stehend oder liegend schnell verstauen, mühelos Treppen rauf- und runtertragen oder auf ebener Fläche schieben und ziehen. Zudem ist es innerhalb von 20 Sekunden mit nur wenigen Handgriffen aufgefaltet.
Zugegeben, längere Fahrradtouren können wir nicht empfehlen, weder hat das Rad in der von uns getesteten Basisversion eine Schaltung, noch ist es in irgendeiner Form gefedert. Wer auf asphaltierten Wegen bleibt, für den dürfte der mangelnde Komfort unerheblich sein, doch Bodenwellen oder Kanaldeckel sollten besser vorsichtig umfahren werden. Kopfsteinpflaster oder Schotterwege sind nicht angeraten, hier wird die Fahrt schnell ungemütlich.
Grundsätzlich eignet sich das kleine Rad für den Pendler auf der letzten Meile ins Büro oder den Wohnmobilfahrer, der auch im Urlaub tagsüber für kleinere Erledigungen nicht zum Fußgänger werden möchte. Bei einem Gewicht von nur 10,6 Kilogramm lässt sich der orangefarbene Hingucker mühelos im Fahrzeuginneren verstauen und passt selbst in einem Kleinwagen noch auf die Rückbank. Praktisch dabei: Statt einer Kette kommt der Kevlar-Riemenantrieb ohne Schmierstoffe aus und verschmutzt daher auch keine Polster.
Daten Strida LT
Größen: 16, 18 Zoll
Faltmaße: 114 cm x 51 cm x 23 cm
Preis: ab 699 €
Infos: www.strida.de
Montague Allston: Der Riese
Als der Student David Montague 1987 seine Firma gründete, hatte er ein Ziel vor Augen: vollwertige Fahrräder zum Falten bauen. Einige Entwicklungsschritte später fertigt Montague heute eine ganze Palette unterschiedlicher Varianten. Unser Testmodell Allston ist als Citybike konzipiert und spart nicht an hochwertigen Komponenten: hydraulische Scheibenbremsen und Elfgang-Nabenschaltung, beides von Shimano. Dazu ein sauberer, weil ohne ölige Schmiermittel auskommender Carbonriemen-Antrieb und vor allem 28-Zoll-Laufräder. So ausgestattet lässt es sich bequem durch die Gegend cruisen oder bei Bedarf auch flotter fahren. Das funktioniert geradeaus etwas besser als in Kurven, denn beim Einlenken entwickelt das Allston eine gewöhnungsbedürftige Eigendynamik. Das Vorderrad „zieht“ unerwartet wie von selbst in die angepeilte Richtung.
Schlaue Standhilfe
Das Zusammen- und Auseinanderfalten geht leicht und locker in 30 bis 40 Sekunden über die Bühne. Der Clou dabei ist der robuste Gepäckträger, der mittels Schnellspanner am Rahmen eingeklickt wird und um 180 Grad nach unten gedreht während des Faltens als stabiler Ständer dient. Ein Klettband fixiert die geklappten Teile. Nur das ausgehängte Vorderrad ist separat zu verstauen. Für die flexible Mitnahme ist das Allston nicht gedacht. Eher als vollwertige Alternative auf Reisen im Wohnmobil oder Pkw, wenn kein Fahrradträger dabei sein soll. Bei unter 90 Zentimetern Packhöhe passt das 13,7 Kilo wiegende Rad stehend in den Kofferraum von Vans, SUV und auch der meisten Kombis.
Daten Montague Allston
Größen: 28 Zoll, Rahmen 48, 53 cm
Faltmaße: 95 x 88 x 30 cm
Preis: 2199 €
Infos: www.montague-bikes.de; www.voss-spezialrad.de
Bernds Gretel: Der Ruhepol
Optisch macht das Bernds Gretel seinem Namen alle Ehre. Das ist mal richtig retro. Doch die Technik des Faltrades ist überhaupt nicht altbacken. Sattel raus, Vorderrad eindrehen, Lenker umlegen und Federelement des Hinterrads aus der Arretierung lösen und nach vorne schwingen. Keine 30 Sekunden dauert das. Richtig klein und handlich ist das Gretel dann zwar nicht, aber es passt problemlos in den Kofferraum eines Kombis. Auch wenn das Gepäckstück aufgrund der losen Einzelteile eher etwas unhandlich ist.
Beim Ausklappen sollte man sich jedoch Zeit nehmen, damit auch alles wieder korrekt an Ort und Stelle sitzt und sich nicht während der Fahrt lösen kann. Dann kann die gemütliche Tour losgehen. Mit einer Durchstiegshöhe von 25 Zentimetern ist das Faltrad schon beinahe „barrierearm“ und somit sehr gut für ältere Menschen geeignet, die keine langen Strecken zurücklegen.
Made in Germany
Das Gretel fährt zwar fast so stabil wie ein normales Rad, doch Kopfsteinpflaster oder Schotterwege sind eher nicht sein Terrain. Wer aber vom Campingplatz aus Brötchen holen möchte, kann das mit dem Bernds-Rad bequem und stilvoll tun. Nur sollte aufgrund der tief stehenden Pedale auf rasante Kurvenfahrten verzichtet werden.
Lenker und Sattel sind höhenverstellbar, so dass es für Personen von 1,40 bis 2,10 Meter geeignet ist. Für größere Radler ist auch eine zweite Rahmengröße verfügbar, denn das Gretel kann individuell konfiguriert werden. Auch eine elektrische Variante ist erhältlich. Übrigens: Das Gretel von Bernds ist ein deutsches Produkt, das am Bodensee gefertigt wird. Kein schlechtes Argument.
Daten Bernds Gretel
Größen: 20 Zoll, Rahmen M, L
Faltmaße: 116 x 76 x 20 cm
Preis: ab 1350 €
Infos: www.bernds.de
Titelfoto: Jessica Blank