07.07.2021 Paul-Janosch Ersing

Kurs auf alternative Antriebe – Grüne Projekte der Kreuzfahrtbranche

Im dritten Teil unserer Serie über nach­haltige Ansätze im Tourismus nehmen wir Fährunternehmen sowie Anbieter von Kreuzfahrten in den Fokus. Unser Überblick zeigt: Schiffe mit Flüssigerdgas-, Hybrid- oder Elektroantrieb sind bereits vereinzelt auf den Weltmeeren unterwegs oder in Planung – ein zarter Anfang auf dem Weg zu mehr Umweltverträglichkeit.


Kraftstoff und Energieversorgung

Der Großteil der Kreuzfahrtschiffe fährt zwar mit Dieselmotoren, tankt jedoch nach wie vor Schweröl. Das bringt einen deutlich höheren Schwefeloxidausstoß mit sich. Seit März 2020 müssen neben Fracht- und Containerschiffen auch Kreuzfahrtschiffe weltweit entweder mit einer Filteranlage ausgerüstet sein oder dürfen nur noch teureren, schwefelarmen Treibstoff (max. 0,5 Prozent ­Schwefelgehalt) verfeuern.
Island ist bereits einen Schritt weiter: Das Land hat den ­Einsatz von Schweröl ohne entsprechende Schwefeloxidfilter verboten. In seinen Hoheitsgewässern gilt seit Anfang 2020 eine Schwefel-Höchstgrenze von 0,1 Prozent. Innerhalb der Zwölfmeilen-Zone dürfen ­damit nur noch Schiffe mit weniger umweltschädlichen Antrieben wie Marinediesel und Marinegas oder mit ­Abgasfiltern ausgerüstete Schiffe fahren.
Mit der AIDA cosma sticht 2021 das zweite mit Flüssigerdgas (LNG) betriebene Kreuzfahrtschiff der AIDA-Flotte in See. Im Jahr 2023 soll ein drittes Schiff mit dem ­weniger umweltschädlichen Kraftstoff folgen. Versuche mit Brennstoffzellen und großen Batteriespeicher­systemen für die Stromversorgung laufen beziehungsweise stehen kurz bevor. Das Fährunternehmen DFDS entwickelt derzeit ein mit Wasserstoff angetriebenes Schiff. Das Brennstoff­zellensystem der Europa Seaways soll eine Leistung von bis zu 23 Megawatt (31 271 PS) produzieren können.
 

Mit der AIDA cosma sticht 2021 das zweite mit Flüssigerdgas (LNG) betriebene Kreuzfahrtschiff der AIDA-Flotte in See. Foto AIDA Cruises

Mit der Kraft des Windes

Was aussieht wie ein etwas zu hoher Schornstein, treibt seit Mai 2020 die Hybridfähre Copenhagen der Reederei Scandlines an: ein Rotorsegel. ­Damit erlebt das Konzept des sogenannten Flettner-Rotors rund hundert Jahre nach seiner Erfindung eine maritime Renaissance.
Sobald Wind auf den 30 Meter hohen rotierenden Zylinder trifft, wird die Luft auf der einen Seite ­beschleunigt und auf der anderen Seite verlangsamt. Die Differenz der Windgeschwindigkeiten führt zu ­einem Druckunterschied, ­wodurch eine Kraft senkrecht zum Wind entsteht. Diese Kraft schiebt das Schiff vorwärts durch die Ostsee – ­sozusagen als ­Zusatzantrieb zur Dieselhybridmaschine. Die Verbindung zwischen Gedser im Norden und Rostock im Süden verläuft nahezu rechtwinklig im Verhältnis zum vorherrschenden Westwind: günstige Bedingungen für ein Rotorsegel! Die Windantriebstechnologie soll den CO2-Ausstoß des Schiffs um vier bis fünf Prozent vermindern.
 

Die Copenhagen ist die erste Fähre, die mit einem Rotorsegel ausgerüstet wurde. Foto: Horst-Dieter Foerster/Scandlines

Batterieelektrischer Antrieb

Die Speicherkapazität von Batterien ist begrenzt – das gilt nicht nur für Elektroautos, sondern auch für den Antrieb von Schiffen. Aus diesem Grund ist ein ­Einsatz von Akkus als alleiniger ­Energiequelle in Kreuzfahrtschiffen auch in ­Zukunft höchst unwahrscheinlich. Anders sieht es jedoch bei Fährschiffen aus, die auf Kurzstrecken verkehren.
Die Reederei Stena Line hat angekündigt, noch in diesem Jahrzehnt die 50 Seemeilen (93 Kilo­meter) lange Verbindung zwischen dem schwedischen Göteborg und Frederikshavn in Dänemark elektrifizieren zu wollen. Die beiden eigens dafür gebauten Elektrofähren sollen 200 Meter lang werden und Platz für 1000 Passagiere sowie 3000 Lademeter bieten. Ihre Akkus sollen ­jeweils eine Kapazität bis zu 60 Megawattstunden (MWh) ­haben, was 120000 Pedelec-Akkus mit ­jeweils 500 Wh entspräche.
 

Landstromanlagen

Für die Stromversorgung auf See laufen unter Deck in der Regel Dieselgeneratoren oder an den Schiffsmotor ­gekoppelte Lichtmaschinen. Etwa 40 Prozent ihrer Betriebszeit liegen Kreuzfahrtschiffe allerdings im Hafen. Dort können sie über einen Landstromanschluss versorgt werden, sofern die entsprechende Infrastruktur vorhanden ist. Die Nutzung von Landstrom zur Energieversorgung gilt als wichtiger Schritt,
um vor Ort die Abgase und den Lärm während der Liegezeit zu senken – möglichst auf Null.
Als Vorreiter gelten die USA und Kanada: Die Häfen von Juneau, Seattle und Vancouver sind bereits seit mehr als zehn Jahren mit entsprechenden Anlagen ausgestattet. Hierzulande gab es Landstrom lange nur in Hamburg-Altona. Nun ist Anfang Mai 2021 in Rostock-Warnemünde die größte Landstromanlage Europas ans Netz gegangen. Mit einer Leistung von bis zu 20 Megavolt-ampere (MVA, entspricht etwa 16 Megawatt) können dort künftig zwei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig mit Strom aus Wasserkraftwerken beliefert werden. Auch in Kiel wurde im Juni 2021 eine neue 16-MVA-Landstromanlage in Betrieb genommen.
 

Die neue Landstromanlage­ in ­Rostock-Warnemünde kann zwei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig mit Strom aus Wasserkraftwerken ­versorgen. Foto: AIDA Cruises

Mitarbeiter und soziale Projekte

Nachhaltigkeit ist bekanntlich viel mehr als ein umweltverträg­licher Antrieb oder eine abgasarme Stromversorgung im Hafen. In ihren Nachhaltigkeitsberichten betonen die großen Kreuzfahrtunternehmen ihre soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und schildern ihr Engagement im Rahmen ganz unterschiedlicher sozialer Projekte rund um den Globus. ­Einen Überblick liefern die Websites im Info­kasten.
 

Nachhaltigkeitsberichte der großen Reedereien

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Titelfotos: stock.adobe.com/© Alx, Stena Line


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