Pisten-Paradies mit Bodenhaftung: Skiurlaub in den Walliser Alpen
Keine Frage: Crans-Montana und die 4 Vallées sind zwei Skigebiete, die auf ihre Pistenvielfalt inmitten einer spektakulären Bergwelt zu Recht stolz sein können. Doch bei allen Superlativen haben die beiden Hotspots in den Walliser Alpen ihre Traditionen nicht aus den Augen verloren.
Wer im Ortszentrum von Montana ankommt, dem schlägt es förmlich entgegen: das Selbstbewusstsein eines Top-Skigebiets mit internationalem Publikum. Am zugefrorenen See Grenon ragt der meterhohe Schriftzug Crans-Montana in die Luft und lässt die Spaziergänger am Ufer klein wirken. Auf dem Weg hinüber nach Crans bestätigt sich der Eindruck: dicke Autos, teure Boutiquen und schicke Sonnenbrillen prägen das Bild.
Oben im Skigebiet von Crans-Montana findet sich der Ortsname in Riesenlettern erneut. Meist ist er von Jugendlichen belagert, die sich bei Handstand oder Huckepack für ihren Instagram-Post in Szene setzen. Kein Wunder, denn die schwarzen Buchstaben vor der weiß bezuckerten Bergkulisse von Viertausendern machen mächtig was her.
Und so steht dem traditionsreichen Doppelort in der französischsprachigen Schweiz sein Selbstbewusstsein auch an. 140 Kilometer Pisten und 24 moderne Beförderungsanlagen bilden ein Skigebiet, das von der Plaine Morte auf 3.000 Metern bis hinunter nach Crans-Montana auf 1.500 Metern reicht. Sehr sonnige, breite Hänge und 15 Aussichtsterrassen machen den Skitag zum Panoramaerlebnis. Über allem thront das Matterhorn, mit 4.478 Metern einer der höchsten Berge der Alpen. Auch die Skiprominenz beehrt Crans-Montana jedes Jahr: beim FIS-Skiweltcup-Rennen am Mont Lachaux, das 2020 am 22. Februar stattfindet.
Bei allem Glamour sind hier aber auch die Schattenseiten des Skizirkus nicht unbekannt: Vor knapp einem Jahr machte Crans-Montana mit einem tragischen Unglück international Schlagzeilen. Ein Skilehrer war auf markierter Piste unterhalb der Plaine Morte durch eine Lawine zu Tode gekommen. Ein Felsabbruch hatte sie ausgelöst. Die Bergbahnen reagierten mit Schweizer Gründlichkeit: Kontrollierte Sprengungen von Schneebrettern und noch frühzeitigere Sperrungen gefährdeter Pisten werden seitdem praktiziert, um dem anspruchsvollen Publikum Sicherheit zu geben.
Auf Schneeschuhen zum Raclette-Abend
Doch es dreht sich nicht alles ums Skifahren in Crans-Montana. Der Doppelort hat auch Sinn für Traditionen und pflegt seine gemütliche Seite. Erleben lässt die sich im östlich des Ortes gelegenen Aminona, das früher ein Skigebiet war, heute aber für sanften Wintersport reserviert ist. Wanderer, Schneeschuh- und Tourengänger finden hier ausgewiesene Routen.
Wir sind unterwegs auf einer Nachtwanderung mit Schneeschuhen zum Weiler Colombire. In Begleitung von Anne Carron-Bender, Wander- und Kulturführerin, haben wir auf dem leicht ansteigenden Weg zunächst noch das Matterhorn im Blick, bevor sich die Dämmerung über die verschneite Landschaft legt. Etwa eineinhalb Stunden dauert es, bis wir unser Ziel, den Hameau de Colombire, erreicht haben. Wir steuern zunächst den Berggasthof an, wo wir zu einem echten Walliser Raclette-Abend erwartet werden. Auf dem großen Holztisch stehen ganz spartanisch nur Schüsseln mit Kartoffeln und Cornichons, denn der Käse wird nicht etwa scheibchenweise im Pfännchen gebrutzelt, sondern am offenen Feuer vom Laib geschabt. Er kommt direkt aus Colombire. Dazu gibt es einen typischen Weißwein aus dem Wallis, den Fendant du Valais.
Nach dem Essen zeigt uns Anne das kleine Freilichtmuseum unterhalb des Gasthauses. Es besteht aus einer Gruppe von Maiensässen, Häusern aus Stein und Holz, in denen die Walliser Bauern mit ihrem Vieh unter einem Dach wohnten. Anne erklärt den Hintergrund: „Vor dem Bau der Eisenbahnstrecke, als die Bauern noch Selbstversorger waren, lebten sie im Winter in ihrem Dorf und zogen mit ihrem Vieh im Frühjahr in die höher gelegenen Maiensässen um – daher der Name. Im Hochsommer brachten sie die Tiere dann auf die Alm.“ Mit ihren Möbeln und Arbeitsgeräten geben die Maiensässen einen authentischen Einblick in die damaligen Lebensbedingungen. „Falls ihr bei der Besichtigung Lust auf einen Urlaub im Holzhaus bekommen habt: Hier oben gibt es auch Chalets zum Mieten“, informiert uns Anne, ehe wir die Stirnlampen aufsetzen. Die drei Kilometer zurück ins Dorf legen wir nämlich rasant auf Schlitten zurück.
Ski-Autobahn und Buckelpiste
Eine knappe Autostunde entfernt liegt auf der anderen Seite des Rhonetals Nendaz. Im Gegenteil zu Crans-Montana, wo Hotels der gehobenen und Spitzenklasse dominieren, kommen Winterurlauber hier überwiegend in Ferienwohnungen und Chalets unter. Ihr Ziel: die 4 Vallées (vier Täler), das mit über 400 Pistenkilometern größte Skigebiet der Schweiz und drittgrößte Europas. Klar, dass es nicht in einem Tag zu „er-fahren” ist. Zur Orientierung nimmt uns Skilehrerin Anita mit auf eine „Best-of-Tour“ zwischen Siviez und Verbier, die eine Abfahrt vom höchsten Punkt, dem Mont Fort, krönen soll.
Eines wird dabei schnell deutlich: Die 4 Vallées sind ein Skigebiet der Superlative. Eingebettet in die traumhafte Bergkulisse der Walliser Alpen liegen seine sonnigen, autobahnbreiten Pisten. Die Beförderung mit Sesselliften, Gondel- und Großraumkabinenbahnen ist perfekt getaktet. Gleich bei der Auffahrt zur Station Chassoure auf 2.740 Metern weist uns Anita auf eine Besonderheit hin: „Unsere Spezialität sind sieben gelbe Pisten, die zwar markiert, aber unpräpariert sind. Legendär sind zum Beispiel die Freeride-Abfahrten vom Mont Gelé nach Tortin und La Chaux.“
Unsere Tour verläuft zunächst über die Stationen Attelas und Les Ruinettes bis nach La Chaux, wo wir im Bergrestaurant Le Dahut Mittagspause machen. Die Sonne brennt so auf die Terrasse, dass wir die am Eingang angebotenen Strohhüte gerne aufsetzen. Für die bevorstehende Herausforderung stärken wir uns mit einem typisch Walliser Gericht: Die Croute au Fromage besteht aus einem in der Pfanne dick mit Käse überbackenem Bauernbrot, das je nach Geschmack mal mit Speck, mal mit Gemüse angereichert wird.
„Seid ihr bereit?“, fragt Anita anschließend. Ihre blauen Augen blitzen unternehmungslustig im gebräunten Gesicht. Schon vormittags hatten wir hin- und herüberlegt, ob wir uns an die steile und anspruchsvolle Buckelpiste vom Mont Fort hinunter wagen sollten. Bei der Auffahrt auf 3.300 Meter mit der Kabinenbahn sieht das von oben machbar aus. Außerdem euphorisiert uns der Blick vom Matterhorn über die Waadtländer und Berner Alpen bis zum Mont Blanc – einfach gigantisch!
Sehr klein fühlen wir uns dann allerdings bei der Abfahrt und denken neidisch an unsere Kollegen, die den Rückweg per Bahn gewählt haben. Die Buckel sind mitunter so hoch, dass wir wie in einer Rinne dahinschlittern und angespannt auf den Moment warten, in dem eine Wende möglich ist. Die Oberschenkel brennen, und ohne Anitas Techniktipps würde wohl so mancher kapitulieren. Umso größer ist der Stolz, als das Terrain endlich flacher wird und wir uns mit der herrlichen Abfahrt nach Siviez, einer der längsten der 4 Vallées, belohnen dürfen.
Schnupperkurs im Alphornblasen
Zurück in Nendaz, wartet am nächsten Tag eine ganz andere Herausforderung auf uns: ein Schnupperkurs im Alphornblasen bei Antoine Devènes. Der Mittsechziger hat dem Instrument in seinem Ort zu einem Revival verholfen, indem er von der klassischen Blaskapelle auf ein Alphorn-Quartett umstieg und Familie und Freunde mit seiner Begeisterung ansteckte. „Ich liebe es, das Instrument draußen im Einklang mit der Natur zu spielen und das Echo zu hören“, schwärmt er.
Die Übungsinstrumente stammen von Morisod, einem von drei handwerklichen Produzenten in der Schweiz. Für die Herstellung werden Rottannenstämme aus dem Jura verwendet, die dank Hanglage am Stamm bereits gebogen sind. Vor der Verarbeitung müssen sie bis zu acht Jahre trocknen. Antoine nimmt eines der etwa dreieinhalb Meter langen Alphörner zur Hand und bestätigt unsere Ahnung: „Das Alphorn ist ein schwieriges Instrument. Die Töne werden nur mit den Lippen erzeugt – etwa so, als ob ihr einen Kirschkern spuckt.“ Es dauert ein Weilchen, bis wir davon abkommen, mit aller Kraft in das große Instrument hineinzupusten. Die richtige Dosis ist erreicht, wenn eine Art Kitzeln am Mund zu spüren ist. Und schon klingen erste Töne durch den Raum. „Durch die Vibration der Lippen am Mundstück, den Luftstrom und die Übertragung durch den Schalltrichter wird das Horn geblasen“, erklärt unser Kursleiter die Technik.
Eine Technik, für die sich weltweit viele Menschen begeistern. Zu erleben ist das beim Valais Drink Pure Festival, dem mit über 100 Bläsern und rund 12.000 Besuchern größten Alphorn-Festival der Welt. Vom 24. bis 26. Juli 2020 findet es wieder in Nendaz statt. „Im letzten Jahr hat eine Japanerin den Wettbewerb gewonnen“, berichtet Antoine. In Erinnerung geblieben ist ihm auch eine japanische Gruppe, die ganz in Walliser Tracht gekleidet war. Internationalität und lokale Tradition schließen sich eben nicht aus – zumindest im Wallis.
Impressionen
Fotos: Simone Eber
ARCD-Reiseservice
- Anreise: Mit dem Pkw z. B. ab Frankfurt/Main auf der A5, A12 und A9 über Basel, Bern und Montreux. Ausfahrt auf der A9 ist für Crans-Montana Siders/Sierre, für Nendaz Sion-Ouest/Nendaz. Mit den zuverlässigen Verbindungen der Schweizerischen Bundesbahnen ist auch eine bequeme Bahnanreise möglich. Das letzte Stück von Siders bzw. Sitten in die Skigebiete wird dabei mit dem Postbus zurückgelegt. www.sbb.ch
- Unterkunft: Herrlich gelegen und dabei preiswert ist die 2017 eröffnete Jugendherberge von Crans-Montana, die in einem ehemaligen Luxussanatorium untergebracht ist. Rabatte für DJH-Mitglieder, www.youthhostel.ch/cransmontana; Chalet-Behaglichkeit, feine Küche und ein tolles Spa erwartet Gäste im Hôtel Nendaz 4 Vallées, www.hotelnendaz4vallees.ch
- Skigebiete und Skipässe: www.crans-montana.ch und https://verbier4vallees.ch/de
- Schneeschuhwandern: Die beschriebene Tour mit Raclette, Museum und Schlittenabfahrt kann über Crans-Montana-Tourismus gebucht werden.
- Alphornkurse: https://www.nendaz.ch/de/P76804/einfuehrungskurse-ins-alphornspiel
- Auskünfte: www.wallis.ch, www.myswitzerland.com