13.07.2021 Jessica Blank

Sicher zur Schule und zurück

Der Schulstart nach den Sommerferien stellt eine besonders anspruchsvolle Zeit für alle Verkehrsteilnehmer dar. Aufmerksamkeit, Vorsicht und Rücksicht sind gefragt – und zwar von jedem. Damit der Schulweg möglichst sicher ist, sollten Eltern sich frühzeitig Gedanken darüber machen, wie der Nachwuchs diesen bewältigen soll: zu Fuß, mit dem Auto oder dem Bus? Was es in jedem Fall zu beachten gibt, erklären wir in unserer Serie „Kinder im Straßenverkehr“.


Welcher Weg zur Schule ist der sicherste? Welche Gefahren könnten drohen? Solche Fragen von Eltern betreffen nicht nur die Sicherheit im Straßenverkehr. Sie machen sich nicht nur Gedanken darüber, dass ihrem Kind bei einem Unfall etwas zustoßen könnte. Sie fürchten auch soziale Probleme wie Mobbing, Überfälle oder körperliche Übergriffe. All das gilt es bei der Auswahl des Schulwegs und der Art, ihn zu bewältigen, zu bedenken. Allen Sorgen und Ängsten zum Trotz ist der beste Weg für Grundschüler zu Fuß – wenn es denn irgend möglich ist. Denn die eigenständige Bewältigung des Schulwegs ist ein wichtiger Schritt eines Kindes von der begleiteten zur selbstständigen Mobilität. Außerdem fördert der Gang an der frischen Luft Konzentration, Ausgeglichenheit und Aufnahmebereitschaft. Nicht zu vergessen: die sozialen Kontakte und die Kommunikation unter Kindern.

Kurz nicht immer gut

Laut einer DEKRA-Umfrage von 2018 geht jedes dritte Kind zwischen sechs und 16 Jahren zu Fuß zur Schule. Um diesen Weg früh und mittags besonders sicher zu gestalten, sollten Eltern bereits zum Ende der Kindergartenzeit mit dem Üben beginnen, nachdem sie selbst die beste Strecke ausfindig gemacht haben. Dabei gilt die alte Regel: Nicht der kürzeste Weg ist der sicherste. „Eltern sollten mit der Erfahrung eines aktiven Verkehrsteilnehmers sich den Weg zur Schule angucken, auch mal selber laufen, nicht nur aus dem Auto heraus, und dann schauen, was aus ihrer Sicht eher ungefährlich ist und wo es schon als erwachsener Fußgänger knifflig werden kann“, erklärt Andreas Bergmeier, Referatsleiter Kinder und Jugendliche beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Dabei müssten Eltern sich im Klaren sein, dass sie bei dieser Vorbereitung nie die Perspektive und die Kompetenz des Kindes einnehmen können. „Sie können nur versuchen, sich zu überlegen, was man in dieser Situation tun würde, wenn man keine Vorerfahrung hat“, sagt Bergmeier. Dazu gehört natürlich auch, dass die Erwachsenen mal in die Hocke gehen und aus Kinderperspektive schauen, ob man zum Beispiel diese Stelle gut einsehen kann.  

Ist der beste Weg gefunden – übrigens auch für die Mittagszeit, wenn ein anderes Verkehrsaufkommen herrschen könnte –, geht es ans Üben. Aber nicht in speziellen Trainingssituationen. „Das sind Dinge, die müssen in den Alltagswegen integriert sein, dann wird es für die Kinder auch nicht so langweilig oder nervig. Dann bekommt das Ganze eine gewisse Normalität“, erläutert Bergmeier. Genauso wie es normal sein sollte, dass man seinem Kind bei jedem Gang im Straßenverkehr erklärt, warum sich Erwachsene in bestimmten Situationen wie verhalten. Bis der Schulweg sitzt, ist es ein langwieriger Prozess. In zwei Wochen geht das nicht. Und dann kommt der Rollentausch. Eltern lassen sich von ihrem Kind leiten und die schwierigen Passagen erklären. So bekommt man ein Gespür dafür, was das Kind schon kann.

Wichtig ist es zudem, über Unvorhersehbares zu sprechen: Was mache ich bei einer defekten Ampel? Wie verhalte ich mich an einer Baustelle? Was mache ich, wenn der Gehweg zugeparkt ist? Auch Gefahrenpunkte müssen erklärt werden und wo gesicherte Stellen sind, um eine Straße zu überqueren, etwa an Fußgängerampeln, Zebrastreifen oder an Schülerlotsenpunkten. Ist das alles gut geübt, sollten Eltern – so schwer es fallen mag – ihrem Kind vertrauen und ihm auch etwas zutrauen. Nur so unterstützen sie die Entwicklung von (lebens)notwendigen Fähigkeiten.

Elterntaxi hat Gründe

Freie Schulwahl, zusammengelegte Schulen – und somit längere Wege –, Zeitdruck, Sicherheitsbedenken: Die Gründe, warum Eltern ihre Kinder lieber mit dem Auto zur Schule bringen, sind sehr verschieden. Und das Thema Elterntaxi wird oft heiß diskutiert. Doch: Nur ein Viertel der Eltern nutzt das Auto für den Schulweg, wie die DEKRA-Umfrage zeigt. „Ich möchte der Behauptung den Zahn ziehen, dass das ein Verkehrssicherheitsproblem ist. Vor den Schulen werden deshalb ja nicht reihenweise Kinder umgefahren, weil die Eltern alle mit dem Auto zur Schule fahren“, macht der DVR-Experte deutlich. Es sei zu den Stoßzeiten chaotisch und ein fürchterliches Durcheinander, aber nicht das Top-Problem der Schulwegsicherheit. „Nur – und das ist ein Punkt, den man nicht vergessen darf: Kinder lernen eine selbstständige Verkehrsteilnahme nicht dadurch, dass sie immer mit der Mutter oder dem Vater im Auto durch die Gegend fahren.“ Kinder müssen den Straßenverkehr selbst erleben und auch als Fußgänger unterwegs sein, um Erfahrungen zu sammeln. „Das ist aus meiner Sicht, was Verkehrssicherheit angeht, der springende Punkt bei dieser Elterntaxi-Thematik. Dass die Kinder den Straßenverkehr nicht erleben“, sagt Bergmeier. Statt die Sicherheit zu erhöhen, fördert die Fahrbereitschaft der Eltern die Immobilität des Nachwuchses. Doch manchmal haben Eltern keine andere Möglichkeit. Neben den genannten Bedenken gehören auch Infrastrukturprobleme zu den Gründen für das Elterntaxi. Oft gibt es keine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, der Schulweg ist zu Fuß einfach zu gefährlich oder zu weit. Wenn man sein Kind also mit dem Auto zur Schule bringen muss, ist das Wichtigste eine korrekte Sicherung im Fahrzeug – auch für Nachbarskinder, die mitgenommen werden. Denn die meisten Unfälle von Kindern im Grundschulalter passieren als Insasse im Auto. „Es wäre sicherlich auch von Vorteil, bildlich gesehen, nicht bis ins Klassenzimmer zu fahren“, rät Bergmeier. Vielleicht gibt es eine Stelle in ein paar hundert Metern Entfernung, wo man das Kind rauslassen kann. So, dass es keine Fahrbahn mehr überqueren und nur noch um die Ecke gehen muss, um auf dem Schulgelände zu sein. Auch Elternhaltestellen, wie sie manche Schulen anbieten, seien laut Bergmeier ein guter Kompromiss, um die Situation in den Stoßzeiten zu entschärfen. Und selbst ein kurzer Weg kann Kindern den Straßenverkehr nahebringen und soziale Kontakte ermöglichen. „Kinder freuen sich, noch ein bisschen zu klönen auf dem Schulweg.“

Option Schulbus

Bleibt noch die Option des öffentlichen Nahverkehrs für den Weg zur Schule und zurück, die laut DEKRA knapp die Hälfte der Kinder zwischen sechs und 16 Jahren nutzt. „Schulbus ist kein großes Unfallthema, trotzdem ist es ein heikles Thema“, sagt Bergmeier. Die größten Gefahren gebe es beim Ein- und Aussteigen oder beim Verlassen der Haltestelle. „Es gibt leider immer noch die wenigen Einzelfälle, dass Kinder vor oder hinter dem Schulbus über eine Straße laufen und nicht auf den fahrenden Verkehr achten. Und das sind dann meist dramatische Unfälle“, erklärt der Experte. Deswegen ist Spielregel Nummer eins: Auf gar keinen Fall, auch nicht unter Zeitdruck, vor oder hinter dem Schulbus über die Straße laufen. Verschärft wird diese ohnehin schon kritische Situation durch Autofahrer, die sich nicht an die Regeln halten: Wenn ein Schulbus die Warnblinkanlage eingeschaltet hat und an eine Bushaltestelle fährt, darf er nicht mehr überholt werden. Steht der Bus dann, darf man nur in Schrittgeschwindigkeit daran vorbeifahren – das gilt für beide Fahrtrichtungen. „Das macht natürlich so gut wie niemand. Die meisten fahren 30 oder 40. Das ist einfach das größte Risiko, wenn Kinder auf die Straße laufen“, sagt Bergmeier deutlich. Und da man nicht wisse, ob doch mal ein Kind das tut, sei die Schrittgeschwindigkeit für die Autofahrer eine Versicherung gegen lebenslange Vorwürfe. Für die sozialen Probleme rund um Haltestelle und Schulbus sind bundesweit 8.000 Schulbuslotsen im Einsatz, die die Warteflächen absichern, beim Ein- und Aussteigen helfen und während der Fahrt für ordentliches Verhalten sorgen.

Die Wege, um zur Schule und wieder zurück zu kommen, sind vielfältig. Die Wahl hängt immer von den persönlichen und infrastrukturellen Umständen ab. Aber egal, wie: So sicher wie möglich sollte der Schulweg sein – und dazu können alle beitragen.

Titelfoto: stock.adobe.com/nmann77