29.08.2022 Bettina Glaser

Urlaub mit einem guten Gefühl: Wie sich Campingplätze für die Umwelt engagieren

Nachhaltigkeit spielt in der Reisebranche mehr und mehr eine Rolle. Auch Betreiber von Campingplätzen rüsten um, wollen die Reiseart mit dem vergleichsweise geringen ökologischen Fußabdruck noch umweltverträglicher machen.


Eine Bettenburg schmiegt sich an die nächste, Liegestühle stehen am kilometerlangen Sandstrand fast auf Tuchfühlung, parallel dazu reihen sich in der Fußgängerzone Shops mit Strandutensilien und Souvenirs aneinander. Flächenversiegelung statt nachhaltiger Tourismus – ein typisches Bild von der Touristenhochburg Jesolo an der italienischen Adria.


Ausgerechnet hier befindet sich der Club Camping Jesolo International, ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Schon im Eingangsbereich weist eine riesige Anzeigentafel auf die aktuelle Umweltbilanz hin, auf dem Dach des Bürogebäudes wird mit Solarpanelen grüner Strom erzeugt.Wer genau aufpasst, bemerkt, dass auf dem Platz insgesamt zwölf Elektrofahrzeuge und zahlreiche Segways im Einsatz sind. Nicht nur Platzeinweiser und Gärtner sind damit unterwegs, sondern auch die Müllwerker am Strand und Clubdirektor Sergio Comino höchstpersönlich. „Wir haben versucht, alles soweit wie möglich zu elektrifizieren“, erzählt der Chef, der den Campingplatz seit 37 Jahren führt. Er hat diesen lange bevor das Thema Nachhaltigkeit in aller Munde war für 2,5 Millionen Euro zu einem umweltfreundlichen Platz umstrukturiert. Über den Beginn der Neuausrichtung erzählt er: „Am Anfang war ich neugierig. Dann habe ich gesehen, dass es eine Chance ist, uns von anderen Campingplätzen zu differenzieren und dass es irgendwann sowieso in die Richtung hätte gehen müssen.“

Viele Maßnahmen

Bereits 2010 wurde der Platz zum ersten Mal mit dem Ecocamping-Label ausgezeichnet, 2011 wurde er zum klimafreundlichen Betrieb und zum ersten CO2-neutralen Campingplatz weltweit. Die Liste der Maßnahmen ist lang und reicht von Wärmepumpen, Solarpanelen, LED-Beleuchtungen und E-Ladesäulen über die Reduzierung der Chemikalien beim Putzen und im Pool, den Verzicht auf das Sprühen gegen Moskitos bis hin zur Mülltrennung. „Wir haben nachgerechnet. Durch die steigenden Energiepreise ist die Hochrechnung noch besser. Nach acht Jahren war die Umrüstung schon so gut wie bezahlt, auch aufgrund der Zuschüsse vom Staat“, sagt Comino.
Auch bei der Poolanlage geht Comino andere Wege als die meisten seiner Mitbewerber: Auf die Vergrößerung der Poollandschaft mit riesigen Rutschenanlagen habe er der Umwelt zuliebe bewusst verzichtet und spare so unter anderem Strom, Wasser, die Filtration des Wassers mit chemischen Produkten und hohe Schadstoffausstöße beim Bau. Stattdessen nutze er die vorhandene Infrastruktur im direkt nebenan liegenden Jesolo und schicke die Gäste in den zwei Kilometer entfernten Rutschenpark Caribe Bay, um nicht mehr Emissionen als unbedingt nötig zu produzieren. Die Eintrittsgelder kosten den Campingplatz mehrere hunderttausend Euro jährlich. „Die optimale Auslastung vorhandener Kapazität, das ist das Geheimnis“, sagt er. Und so gibt es anders als auf anderen Campingplätzen an der Adria auch keinen Minigolfplatz direkt am Platz, dafür aber die Möglichkeit, auf dem zwei Kilometer entfernten 24-Loch-Themen-Minigolfplatz zwischen Schätzen und Piraten den Minigolfschläger zu schwingen. Auch das ist im Übernachtungspreis dabei, genauso wie zahlreiche andere Freizeitaktivitäten.
 

Die Müllsäcke am Strand werden mit elektrisch angetriebenen Müllfahrzeugen abgeholt. Foto: Bettina Glaser
Neu in dieser Saison sind zwei 180-kW-Ladestationen, die alle E-Fahrzeuge der Gäste mit Energie versorgen sollen. Foto: Bettina Glaser

Zufriedene Gäste

Einschränken müssen sich die Gäste wegen der ökologischen Ausrichtung des Campingplatzes also nicht. Kathrin und Fabian Müller aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen, die mit Tochter Emilia in den Pfingstferien zum ersten Mal auf dem Fünf-Sterne-Platz Urlaub gemacht haben, kommen – angesprochen auf Nachhaltigkeit auf dem Campingplatz – erst mal ins Grübeln. Die Solaranlagen auf den Betriebsgebäuden waren ihnen aufgefallen, auch die Sensoren an den Wasserhähnen und die für Italien ungewöhnlich komplexe Mülltrennung. Diese Maßnahmen findet die Familie gut, auch wenn sie sich bei der Urlaubsplanung eher an der Empfehlung von Freunden statt an Nachhaltigkeitskriterien orientiert hat. Dass es vielen so geht, zeigt auch die Umfrage des Campingplatzes unter den Gästen. Hier gaben weit über 90 Prozent an, dass ihnen Umweltaspekte wichtig seien und sie den Campingplatz in Bezug auf die Umweltaktivitäten als sehr gut bewerten. Bei der Buchung war laut Umfrage jedoch nur 70 Prozent der Gäste der Umweltaspekt wichtig.

Fehlender Druck

Manchmal hadert Comino damit, dass Urlauber nachlässig mit Ressourcen umgehen, die Klimaanlage laufen lassen, während sie am Strand sind, oder ihren Müll nicht trennen. „Urlaub ist mit einer gewissen Leichtsinnigkeit verbunden. Man möchte sich nicht stressen, keinen Aufwand leisten. Wahrscheinlich ist die Mülltrennung ein kleiner Stress. Es ist kein großer Aufwand, aber immerhin ein Aufwand“, hat er erkannt. Umweltbewusstsein sei bei den Menschen nicht tief verwurzelt. „Ein Urlaub weit weg von zu Hause ist wie eine Maske und da haben Sie keinen Druck. Da dürfen Sie machen, was Sie für richtig halten“, sagt er. Dennoch sieht er sich mit seiner Ausrichtung gut aufgestellt: „Das würde ich wieder machen. Es ist der richtige Weg, aber: Es schätzt nicht jeder.“
Und so hat er gerade wieder investiert: mindestens 100 000 Euro in Wärmepumpen und zusätzlich in zwei 180-kW-Ladestellen für Elektrofahrzeuge.  „Wir sind jetzt für die Zukunft gerüstet“, sagt Comino. Welche neuen Ideen er für die nächste Saison hat, verrät er noch nicht. Zu unsicher seien die Zeiten im Moment. Doch eins ist klar für ihn:  „Wenn alles gut läuft, werden wir versuchen, mehr zu machen.“
 

­­­­Neben den gewohnten Containern zur Mülltrennung gibt es auch Behälter für Arzneimittel und Batterien. Foto: Bettina Glaser
Clubdirektor Sergio Comino legt Wert auf Elektromobilität und Nachhaltigkeit auf seinem Campingplatz. Foto: Bettina Glaser

Neue Ausrichtung am See

Dass die Betreiber des Country Campings Tiefensee aktuell eine Namensänderung diskutieren, zeigt, wie tiefgreifend die Neuausrichtung des Platzes unweit von Berlin ist. Denn für die Gäste macht es schon einen Unterschied, ob sie einen Stellplatz auf dem „Ecocamping Tiefensee“, „Naturcamping Tiefensee“ oder wie bisher „Country Camping Tiefensee“ buchen. So wie beim Namen sind hier aktuell viele Dinge im Fluss.
Gerade ist Hochsaison auf dem 14 Hektar großen Gelände. Viele der rund 250 Dauercamping-Stellplätze im Kiefernwald sind bewohnt, Campinghütten, Strandfässer und Ferienhäuser vermietet, die Touristenplätze füllen sich. Die natürliche Bepflanzung und der Wald ermöglichen es den Gästen, zur Ruhe zu kommen, der Gamensee lädt zu einem Sprung ins erfrischende Nass ein. Währenddessen kommen die Betreiber Felix Voß und Andreas Grabolle mit Ecocamping-Berater Martin Rolletschek immer wieder zu Planungstreffen zusammen, um den Campingplatz neu auszurichten. Erst im vergangenen Jahr starteten sie den Transformationsprozess zu mehr Nachhaltigkeit in ökologischer, sozialer und ökonomischer Hinsicht, erstellten einen Maßnahmenplan mit Verbesserungen für die folgenden drei Jahre. „Jeder Arbeitsbereich wird angeschaut und dafür werden Maßnahmen beschlossen“, erzählt Rolletschek vom Prozedere zur Ecocamping-Auszeichnung. Hierbei stehen die Beteiligten auch im Austausch mit Ämtern wie der Naturschutzbehörde.

Umfangreiche Pläne

„Als Betreiber eines Campingplatzes sehe ich mich in der Verantwortung, Teil des Wandels zu mehr Nachhaltigkeit und weniger Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu sein. Unser Campingplatz kann als Multiplikator vorbildlich auf seine zahlreichen Gäste sowie andere Campingplätze und Unternehmen der Tourismusbranche wirken“, erzählt Felix Voß von seinen Beweggründen. Erste Maßnahmen wurden bereits umgesetzt, darunter ein Nahwärmenetz mit Biomasseheizung, verbessertes Verbrauchsmonitoring, Wasseruhren und Stromzähler. Andere, größere Maßnahmen stehen noch aus: Der Ausbau des Einsatzes erneuerbarer Energien, Bepflanzungskonzepte oder die Schließung des Wasserkreislaufs durch eine Bio-Kläranlage. Ein Bereich darf nicht wie bisher wegen Quellwasserbestimmungen als Campingplatz weitergenutzt werden. Hier soll ein Waldgarten entstehen, also eine Fallobstwiese mit Unterpflanzung. „Das stärkt die Artenvielfalt noch einmal massiv“, erklärt Rolletschek. Auch die Kiefernwald-Monokultur, in der sich die Dauercamping-Stellplätze befinden, soll nachhaltig umgebaut werden.
 

Aus dem Country Camping Tiefensee, der an einem Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet direkt am Gamensee liegt, soll ein umweltfreundlicher Campingplatz werden.­­­ Foto: Country Camping Tiefensee
Die Betreiber des Country Camping Tiefensee Felix Voß (links) und Andreas Grabolle (rechts) planen die Umstrukturierung. Foto: Country Camping Tiefensee

Dauerhaftes Umdenken

Und wiederum andere Maßnahmen begleiten die Campingplatzmitarbeiter permanent: das Schaffen eines ökologischen Bewusstseins und die Kommunikation von nachhaltigeren Verhaltensweisen an Mitarbeiter, Gäste und Partner. Auch Umweltbildungsmaßnahmen sind in Zukunft angedacht. „Viele Campinggäste sind im Allgemeinen offen für Maßnahmen, die gut für die Natur sind. Wir können mit Kostenersparnissen oder anderen Vorteilen bei unseren Gästen ökologisch vorteilhafte Verhaltensänderungen anstoßen und fördern“, beobachtet Voß.
Auch in sozialer Hinsicht wird sich einiges tun. „Die Geschäftsführung strebt an, die Campleitung auf mehrere Schultern zu verteilen. Es sollen Steuerkreise implementiert werden, die verschiedene Geschäftsbereiche lenken. Das ist ein innovativer Ansatz, da hierdurch die soziale Nachhaltigkeit gestärkt werden kann, indem personelle Kapazitäten gezielt eingesetzt und damit geschont werden können“, sagt Rolletschek.

Im Bereich der Dauercamper soll der Kiefernwald strategisch umgebaut und verjüngt werden. Foto: Country Camping Tiefensee

Vorteile für alle

Neben dem bewussten und schonenden Umgang mit Ressourcen ergeben sich auch finanzielle und wirtschaftliche Vorteile für nachhaltig ausgerichtete Campingplätze. „Sie sind resilienter gegenüber Krisen wie beispielsweise Dürreperioden oder Hochwasserereignissen“, sagt Rolletschek. Platzbetreiber Voß geht außerdem von einem weiteren positiven Effekt aus: „Mittelfristig können wir mit einem erweiterten und nachhaltigen Angebot neue Kundengruppen gewinnen und an uns binden. Die Zukunft des Campingurlaubs wird noch nachhaltiger sein und wir möchten diese Entwicklung nutzen und unterstützen.“ Für die Camper bedeutet das alles, dass sie mit einem guten Gewissen reisen können und das – entgegen aller Vorurteile – ohne verzichten zu müssen, wie Rolletschek betont.
 

Umweltfreundliche Campingplätze finden

Bei der Auswahl des passenden Campingplatzes bietet der DCC-Campingführer (erhältlich über www.arcd.de/shop) einen guten Überblick für Europa. Darin sind Campingplätze mit Fokus auf Nachhaltigkeit mit dem
Ecocamping-Symbol gekennzeichnet.
Mit Siegeln und Zertifikaten aus­gezeichnete Campingplätze sind auch hier zu finden:

  • Ecocamping: Die Initiative zeichnet Campingplätze im In- und Ausland für die Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung von Umwelt- und Naturschutz aus. www.ecocamps.de
  • EU Ecolabel: Um das EU-weit gültige Ecolabel der Europäischen Kommission zu erhalten, müssen Campingplätze 22 vorgeschriebene ­Kriterien zwingend erfüllen. Zudem muss eine Mindestanzahl aus 45 weiteren Kriterien erreicht werden. www.eu-ecolabel.de
  • Viabono: Bei einer Viabono-Zertifizierung zählt das Ergebnis des Campingplatzes in den Bereichen Wasser, Abfall, Energie und Klima sowie Lebensmittel. www.viabono.de

Titelfoto: Bettina Glaser