Auf den Spuren von Phileas Fogg: Mit dem E-Auto von Offenbach bis nach Brasilien
Elektrofahrzeuge gelten ob ihrer begrenzten Reichweite als wenig langstreckentauglich. Mythos oder Wahrheit? Wir sind der Frage im Langstreckentest auf einer kleinen Weltreise mit dem Hyundai Ioniq 5 auf den Grund gegangen.
Erinnern Sie sich noch an Phileas Fogg, der als Protagonist in Jules Vernes Roman „In 80 Tagen um die Welt“ reiste und Ende des 19. Jahrhunderts zusammen mit seinem Diener Passepartout zahlreiche Abenteuer zu bestehen hatte? Als Verkehrsmittel dienten den beiden auf ihrer waghalsigen Odyssee durch ferne Länder vorwiegend Dampfschiffe, Eisenbahnen, Segel-Schlitten und Elefanten. Elektroautos gehörten noch nicht dazu, obwohl diese bereits in den 1830er-Jahren erfunden worden waren.
Knapp 150 Jahre nach der Veröffentlichung des Buches ist es an uns, Phileas Fogg um die Welt zu folgen. Protagonist der neuzeitlichen Geschichte ist der Hyundai Ioniq 5, mit dem wir an einem bewölkten Tag im Herbst von Offenbach am Main nach Brasilien aufbrechen. Statt 80 Tagen stehen uns nur zwei zur Verfügung, zudem besuchen wir vorher noch Ägypten, Norwegen und Kalifornien. Spätestens jetzt dürfte sich der Leser fragen, ob der Autor dieser Zeilen nicht den fantastischen Erzählungen Jules Vernes erlegen ist? Doch wir können Sie beruhigen – alles hat seine Richtigkeit.
Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? In Deutschland finden sich einige Orte, die nach bekannten Ländern benannt wurden. So wie Ägypten etwa, eine Bauernschaft mit einer Handvoll Häuser in der Gemeinde Neuenkirchen im Landkreis Osnabrück – und damit der erste Wegpunkt auf unserer Reise mit dem elektrisch angetriebenen Hyundai Ioniq 5. An Distanz sind zwischen Offenbach in Hessen und Ägypten in Niedersachsen über Autobahn und Landstraße etwa 400 Kilometer zu überbrücken.
Ladepunktsuche unterwegs per App
Unser Testwagen soll laut Hersteller eine maximale Normreichweite von 451 Kilometern nach WLTP aufweisen, sodass wir die Strecke in einem Rutsch durchziehen könnten. Da am zweiten Reisetag aber noch weitere Ziele anstehen und rund um das anzusteuernde Hotel keine Schnellladesäulen verfügbar sind, entscheiden wir uns für einen früheren Stopp auf der Route. Hilfreich für die Suche nach einer Ladesäule ist die herstellereigene App „Charge myHyundai“, über die sich etwa nach Ladeleistung, Steckertypen oder Entfernung filtern und navigieren lässt. Die Menüführung der App ist verständlich aufgebaut und kann vom Beifahrer auch flexibel während der Fahrt bei der Suche nach Ladestationen genutzt werden.
Um die Haltedauer gering und die Gesamtreisedauer im Rahmen zu halten, konzentrieren wir uns auf Ultraschnellladestationen in direkter Nähe der Route mit Ladeleistungen zwischen 150 und 350 kW. Diese lassen sich zielgenau ansteuern, liegen auf unserer Tour aber nicht selten auf Gewerbeflächen oder in Wohngebieten, wo es oft an sanitären Anlagen und Verkaufsstellen für den Reiseproviant mangelt.
Zurück zur Route: Als zweites Etappenziel steht Norwegen auf dem Programm. Statt hunderte Kilometer weiter, geht es in einen Ortsteil der Gemeinde Lastrup in Niedersachsen im Landkreis Cloppenburg. Während Ägypten und Norwegen in natura mehrere Flugstunden voneinander entfernt liegen, absolvieren wir die Strecke im Handumdrehen innerhalb einer Dreiviertelstunde und kommen damit auch zum Ende des ersten Reisetages.
Im Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass uns der Hyundai Ioniq 5 auf den ersten 430 Kilometern hinsichtlich des Stromverbrauchs positiv überrascht hat. Bei gemütlichem Landstraßen- und gemäßigtem Autobahntempo (max. 120 km/h) genehmigte sich das E-Auto mit einem Leergewicht von fast zwei Tonnen und besetzt mit zwei Personen plus Gepäck lediglich 17,1 kWh Strom auf 100 Kilometer und liegt damit knapp unter der Normangabe von 17,9 kWh.
Auf dem Weg gen Norden fordert uns am zweiten Tag eine lange Etappe mit rund 480 Kilometern heraus. Nach einem kulinarischen Abstecher in Bremerhaven geht es über Hamburg und Kiel weiter an die Ostsee bis nach Kalifornien und Brasilien.
Letzte Kneipe vor der Amerika-Überfahrt
Im Treffpunkt Kaiserhafen, einer urigen Gaststätte im Bremerhavener Überseehafen, tranken schon Seefahrer vergangener Tage ihr letztes Bier vor der anstehenden Amerika-Überfahrt. Von ihnen erhielt das Gebäud0e auch seinen charakteristischen Beinamen – Letzte Kneipe vor New York. Heute bevölkern vorwiegend Touristen den Flachbau gegenüber dem riesigen Auto- und Container-Terminal. Die liebevoll zusammengestellte Einrichtung der Hafenkneipe besteht aus einer Vielzahl originaler Gegenstände mehrerer Jahrzehnte der internationalen Schifffahrt: Etliche Rettungsringe, Schwimmwesten, Steuerräder, Sextanten, Lampen, Bilder, Fischernetze und Knotensammlungen zieren Wände und Decken und erzählen ihre Geschichten aus dem harten Alltag der Seefahrerei.
Es ist spät geworden, erst am Nachmittag kommen wir aus Bremerhaven los. Fast 300 Kilometer Autobahn und Landstraße erwarten uns noch auf dem Weg zum Ziel unserer langen Reise.
Das Tageslicht bestimmt das Tempo
Die Sonne hat ihren Zenit bereits längst überschritten, wir werden uns also beeilen müssen, wenn die Ostsee nicht im Dunkel der Nacht verschwinden soll. Im Hinblick auf Gesamtstrecke, Geschwindigkeit und den bei flotter Fahrt nach oben schnellenden Verbrauch müssen wir uns aber wohl doch noch auf einen letzten Zwischenstopp einrichten. Jetzt heißt es strategisch vorgehen und den anstehenden Zeitverlust so kurz wie möglich halten. Unsere Wahl fällt auf eine einzelne öffentlich verfügbare 350-kW-Ultraschnelllade-Säule auf dem Hof eines Hamburger Porsche-Händlers. Eingereiht zwischen Sportwagen aus Zuffenhausen zapfen wir mit einer maximalen bordeigenen Ladeleistung von 220 kW in rekordverdächtigen 17 Minuten den Akku wieder von 32 auf 84 Prozent voll.
Lange 130 Kilometer über Autobahn und Landstraße später geht das Licht des Tages fast zur Neige, als das Meer und damit unsere beiden letzten Etappenziele Kalifornien und Brasilien endlich in Sicht kommen. Die beiden Ortsteile am Rande der Ostsee trennen nur wenige hundert Meter und gehören zur Gemeinde Schönberg im Kreis Plön in Schleswig-Holstein. Die Legende erzählt, dass die Herkunft der beiden Ortsnamen der Aufschrift alter Schiffsplanken entstammt, die Fischer einst am Strand der Ostsee fanden.
Verbrauch steigt mit der Geschwindigkeit
Damit endet unsere kleine Weltreise mit dem Hyundai Ioniq 5, den wir als komfortablen und flüsterleisen Reisewagen kennenlernen und schätzen durften. Wie beim Verbrenner auch, entscheidet letztlich der rechte Fuß auf dem Fahrpedal, in welcher Größenordnung der Verbrauch in die Höhe steigt und eventuell zusätzliche Ladestopps notwendig sind. Verfügen Elektrofahrzeuge über einen sogenannten CCS-Schnellladeanschluss und optimalerweise über eine Batteriekühlung, empfehlen wir zum Nachladen Ultraschnellladesäulen mit hoher Ladeleistung. Grundsätzlich sollten Schnellladevorgänge aber die Ausnahme darstellen, da sie den Akku schädigen und dessen Kapazität in zunehmendem Maße verringern. Akkuschonend ist hingegen langsames Laden an einer Wallbox oder öffentlichen Ladestation.
Der rechte Fuß bestimmt am Ende auch unseren Tagesverbrauch, der mit 20,7 kWh auf 100 Kilometer erwartungsgemäß stark angestiegen ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass wir den Hyundai Ioniq 5 auch für lange Strecken empfehlen können, auch und gerade, wenn es mal schneller gehen muss.
Daten Hyundai Ioniq 5
- Modelljahr: 2022*
- Elektromotor: 160 kW/217 PS
- Antrieb: Heck
- Getriebe: Einstufiges Reduktionsgetriebe
- Normverbrauch: 17,9 kWh** (WLTP), 0 g CO2/km lokal***
- Akku-Kapazität: 72,6 kWh
- Ladeleistung (DC): max. 220 kW
- Ladezeit:
Schukosteckdose: 30:45 Stunden (10–100 %),
Wechselstrom (AC, 11 kW): 6:09 Stunden (10–100 %),
Gleichstrom (DC, 50 kW): 57 Minuten (10–80 %),
Gleichstrom (DC, 350 kW): 18 Minuten (10–80 %) - Basispreis: ab 43.900 Euro
* Modelljahr 2022 seit Ende 2022 ersetzt durch Modelljahr 2023 mit veränderter Motorisierung und Akkukapazität
** mit optionalen 20-Zoll-Leichtmetallrädern
*** entspricht 75 g CO2/km gemäß CO2-Emissionsfaktor im dt. Strommix 2021
geschätzt lt. Umweltbundesamt: 420 g CO2/kWh