Badge Engineering:
Wie Autohersteller mit zugekauften Modellen sparen
Ein neues Auto zu entwickeln, dauert Jahre und kostet mehrere Milliarden Euro. Nicht jeder Autohersteller kann und will sich diesen Aufwand für alle Modelle im Programm leisten. Kostengünstiger ist es, bereits existierende Fahrzeuge anderer Hersteller zu kaufen und mit dem eigenen Markenlogo umzuetikettieren. Am Beispiel des Suzuki Swace zeigen wir, wie sogenanntes Badge Engineering funktioniert und welche Vor- und Nachteile Kunden davon haben.
Wer glaubt, dass bevorzugt chinesische Autohersteller das Design fremder Fahrzeugmodelle kopieren, irrt. Abgekupfert wird in Asien, den USA, in Europa und selbst in Deutschland. Vorausgesetzt, es handelt sich um Badge Engineering, was sich ironisch als „Plaketten-Ingenieurswesen“ übersetzen lässt und selbstverständlich der Zustimmung des ursprünglichen Autoherstellers bedarf.
Zwei Arten von Badge Engineering gilt es zu unterscheiden. Im ersten Fall basieren baugleiche Modelle verschiedener Marken auf einer gemeinsamen Entwicklung und unterscheiden sich nur durch Details in der Optik. In den Neunzigerjahren entstand so die erste Generation der Großraumvans von VW Sharan, Ford Galaxy und Seat Alhambra. „Das hierfür 1991 durch Ford und Volkswagen ins Leben gerufene Joint-Venture Autoeuropa Automóveis hat die baugleichen Fahrzeuge ab 1995 in Portugal gefertigt“, erklärt Prof. Dr. Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA). Diese Form der Gemeinschaftsentwicklung sei dabei von der heute vielfach genutzten Plattform-Strategie zu unterscheiden, bei der eine Plattform als technische Basis für unterschiedliche Modelle verschiedener Marken dienen kann, sagt Prof. Reindl.
Im zweiten Fall von Badge Engineering erwirbt ein Hersteller lediglich ein Modell eines anderen Herstellers, verändert das Äußere und vermarktet es unter eigenem Namen weiter. Das ist kostengünstiger als eine eigene Entwicklung und kann auch nach dem Marktstart des Originals realisiert werden. So wie bei unserem Praxisbeispiel etwa, dem Suzuki Swace, einem fünftürigen Kombi der unteren Mittelklasse. Das Modell basiert auf der im Jahr 2018 erstmals vorgestellten Kombi-Version des Toyota Corolla und wird bei uns seit November 2020 angeboten.
Suzuki Swace 1.8 Hybrid CVT Comfort+
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Weltweite Zusammenarbeit beider Hersteller
Hintergrund der Partnerschaft sind wirtschaftliche Interessen. Während Toyota langjährige Erfahrung mit Hybridtechnik hat, verfügt Suzuki über fundierte Kenntnisse in der Konstruktion von kleinen Autos mit und ohne Allradantrieb. Beide Hersteller ergänzen ihr Portfolio auf unterschiedlichen Märkten weltweit durch Modelle des jeweils anderen Produzenten. In Deutschland nutzt Suzuki dazu die beiden Hybrid-Modelle Across, bei dem es sich um einen umgelabelten Toyota RAV4 handelt, und den bereits erwähnten Swace.
Im Gegensatz zum Swace können Kunden beim Toyota Corolla über alle Modelle hinweg zwischen einer Fließheck-, einer Kombiversion und einem SUV, zwei Motorisierungen und bis zu sechs Ausstattungsstufen wählen. Badge-Engineering-Partner Suzuki hingegen bietet den Swace einheitlich als Kombi mit einer Motorisierung und in einer Ausstattung zum Preis ab 37.190 Euro an.
Die Unterschiede im Design fallen nur minimal aus. Lediglich eine modifizierte Frontstoßstange, Suzuki-Logos an Front und Heck sowie passende Felgendeckel deuten auf Toyotas-Partner hin. Das Gleiche im Innenraum: Ohne das Suzuki-Markenzeichen auf dem Lenkrad befänden wir uns im Toyota-Wohnzimmer. Motorenseitig steht den Suzuki-Kunden ausschließlich ein 1,8-Liter-Vierzylinder-Vollhybrid-Antrieb mit einer Systemleistung von 103 kW/140 PS zur Verfügung. Dieser dient auch im Corolla als Basis, wird dort aber exklusiv noch um ein stärkeres Aggregat mit 144 kW/196 PS beziehungsweise im SUV um 145 kW/197 PS ergänzt. Die einzige Ausstattungslinie Comfort+ des Swace entspricht nahezu der vierthöchsten Corolla-Ausstattungsstufe „Team Deutschland“ (Sondermodell, ab 37.190 Euro, Preisvorteil bis 30. Juni 2024). Dort ist neben 17-Zoll-Alufelgen (ab 280 Euro) aber auch noch eine elektrisch öffnende Heckklappe (im Paket 1.000 Euro) im Grundpreis enthalten. Wer auf das Ausstattungsplus nicht verzichten will, müsste zum Corolla greifen.
Dennoch erhält der Suzuki-Fahrer ein gut ausgestattetes Auto mit allem Drum und Dran für den täglichen Bedarf. Dazu gehören eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, adaptiver Tempomat, ein volldigitales Kombiinstrument, elektrische Fensterheber, Sitzheizung für die Vordersitze, Lenkradheizung, Navigationssystem, Bluetooth-Freisprecheinrichtung, kabellose Smartphone-Ladefunktion, Smartphone-Anbindung, DAB+-Radio, aktiver Spurhalteassistent, Verkehrszeichenerkennung, Rückfahrkamera, Voll-LED-Haupt- sowie Nebelscheinwerfer und 16-Zoll-Alufelgen. Zur Wahl stehen fünf Farbtöne für jeweils 690 Euro Aufpreis; Weiß ist kostenlos.
Und wie attraktiv ist der Swace für Kaufinteressenten? Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes verkaufte Suzuki 2023 lediglich 651 Fahrzeuge des Swace in Deutschland, während die Varianten vom Corolla mit 12.945 neu zugelassenen Autos deutlich mehr Zuspruch fanden. Laut Prof. Reindl wird Badge Engineering in der Regel bei Kleinst- und Kleinwagen sowie Transportern und deren Pkw-Derivaten genutzt. Bei höher positionierten Fahrzeugsegmenten steige dagegen das Anspruchsniveau der Kunden, was zu Akzeptanzproblemen gegenüber Badge Engineering führen könne.
Weiteres Manko des Swace: Während Toyota auf den Hochvoltakku zehn Jahre Garantie gewährt, endet diese bei Suzuki bereits nach drei Jahren mit dem Ablauf der Neuwagengarantie.
Käufer von Neuwagen müssen überdies beim Restwert finanzielle Einbußen hinnehmen. Laut Prof. Reindl ist Suzuki bei der Preispositionierung bei Neuwagen über fast alle Modellreihen, bis auf das Kultauto Jimny, hinweg niedriger positioniert als Toyota. Die Restwertabschläge fallen höher aus.
Mehr Varianten bei ToyotaToyota bietet das Modell Corolla in Deutschland sowohl als Kombi, Fließheck als auch als SUV mit Vollhybridtechnik an. Der Basisantrieb bestehend aus Benzin- und E-Motor leistet in allen Varianten 103 kW/140 PS. Darüber hinaus verfügen die Modelle Touring Sports (Kombi) und Corolla (Fließheck) über einen 2,0 Liter großen Top-Antrieb mit 144 kW/196 PS, der im SUV Corolla Cross ein Kilowatt respektive eine Pferdestärke mehr Leistung bietet.
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Gebrauchtwagenkäufer profitieren
Bereits einjährige Modelle des Swace werden vom Autohandel auf der Verkaufsplattform mobile.de (Stand 06. 05. 2024) mit bis zu 35 Prozent Abschlag unter dem Neupreis gehandelt. Wenn man eine Händlermarge von zehn bis 15 Prozent am Pkw annimmt, dürfte der tatsächliche Restwert noch niedriger liegen. Des einen Leid, des anderen Freud: Die Preise vergleichbarer gebrauchter Toyota Corolla Touring Sports liegen in der Regel ein paar Tausender über dem Swace, was preissensible Gebrauchtwagenkäufer freuen dürfte.
Für wen aber eignet sich die Kopie als Neuwagen, wenn das Modell im Vergleich zum Toyota-Original kaum fahrzeugspezifische Vorteile bietet? Potenziell wären das Kunden, die Händler und Marke treu bleiben wollen. Ebenso Autofahrer, die sich beim Kauf nicht mit verschiedenen Ausstattungslinien auseinandersetzen möchten.
Künftig könnten Badge-Engineering-Konzepte wie das des Suzuki Swace aber in den Hintergrund treten. „Im Gegensatz zur Plattformstrategie bietet das Badge Engineering weniger Möglichkeiten, die Markenspezifität und -charakteristik im Einzelfall herauszustellen. Diese eingeschränkten Möglichkeiten führen dazu, dass mittlerweile Aspekte der Plattform-Strategie und des Badge Engineering kombiniert werden. Dies ist zwar kostenintensiver, allerdings sind dann Exterieur und Interieur stärker markentypisch gestaltbar“, erklärt Prof. Reindl. Was für Hersteller und Handel von Vorteil ist, könnte solche Autos für Endkunden aber wieder teurer machen.
Eine Auswahl weiterer Zwillingsbrüder
Renault Clio – Mitsubishi Colt |
Mercedes T-Klasse – Renault Kangoo – Nissan Townstar |
Citroën ë-Spacetourer – Peugeot e-Traveller – Toyota Proace Verso Electric – |
Alle Fotos: Hersteller
Titelfoto: Wolfgang Sievernich