„Eleganza italiana“ – Wiedergeburt der Marke Lancia
Totgesagte leben länger! Dieses Sprichwort gilt auch für Produkte, welche für einige Zeit verschwunden waren. Glaubt man dem Rumoren hinter fein in Szene gesetzten automobilen Kulissen, steht die altehrwürdige italienische Marke Lancia kurz vor ihrer erneuten Wiederkehr in großem Stil.
Geht es um die Zukunft von Lancia, dann lohnt sich zunächst ein kurzer Rückblick in die Geschichte dieses im Jahre 1906 gegründeten Automobilunternehmens – wobei zu jener Zeit neben Pkw ebenfalls Nutzfahrzeuge gebaut wurden. Lancia hat lange nicht nur gekleckert, sondern mit einer Vielzahl von Modellen geklotzt. Wenn man sich an der Firmenentwicklung entlanghangelt und ein paar Meilensteine betrachtet, weist der 1907 gebaute Lancia Alpha darauf hin, dass sich über die Jahrzehnte immer wieder das griechische Alphabet als Namensgeber anbot. Zudem wollte man stets in der gehobenen Klasse zugange sein, preiswerten Volks-Wagen sah sich die Marke nie verpflichtet.
Sportliche Ambitionen und Rückzug
Das erste Nachkriegsmodell von 1950 mit V6-Motor trug den malerischen Namen Aurelia, später bog der Turiner Hersteller in eine glorreiche Rallye-Epoche ein, sogar ein kurzer Ausflug in die Formel 1 wurde unternommen. Der erste Titel in der Rallye-Weltmeisterschaft gelang 1972 mit der Fulvia. Da gehörte Lancia schon drei Jahre zu Fiat. Die Schräghecklimousine Gamma mischte sich 1976 in die gehobene Mittelklasse, gefolgt vom kompakten Delta 1979. Eine noch kleinere Fahrzeugklasse bediente die auf Prestige bedachte Marke 1985 mit dem Kleinwagen Y10 – ausgeschrieben als Ypsilon erschien er erst in dritter Generation 2003. Kenner beschreiben die 2002 neu erschaffene Limousine Thesis als letzten echten Lancia.
Tatsächlich entstand nämlich 2011 unter der FCA-Führung (Fiat-Chrysler-Automobiles) der im Nachhinein betrachtet erfolglose Gedankenblitz, dem Chrysler 300 in Europa den Lancia-Namen Thema zu verpassen. Dieses so genannte Badge-Engineering fiel bei der Lancia-Kundschaft keinesfalls auf fruchtbaren Boden. Jene italo-amerikanische Zusammenarbeit kennzeichnete den kontinuierlichen Abstieg von Lancia. Schließlich wurde 2015 der Rückzug nach Italien verlautbart, und 2017 gab die Konzernleitung den kompletten Exportstopp bekannt.
Neuer Anlauf mit drei Modellen
Umso erstaunlicher mutet es aktuell an, wenn Lancia-Deutschland-Chef Niccolò Biagioli bei der Präsentation der Konzeptstudie Pu+Ra HPE in malerischen Worten jenes Fahrzeug preist. Er siedelt die gesamte Strategie der Lancia-Rückkehr unter dem Motto „Eleganza italiana“ an. Biagioli zeichnet im großen Stellantis-Konzern zudem für dessen Premiummarken Alfa Romeo und DS in Deutschland verantwortlich.
Von nächstem Jahr an soll es so weit sein: Lancia lässt die griechischen Buchstaben Ypsilon, Gamma und Delta in den Fahrzeugnamen seiner neuen Modelle wieder aufleben. Sollte die Planung wie am Schnürchen klappen, erscheint hierzulande zunächst eine Neuauflage des auf vier Meter gestreckten Kleinwagens Lancia Ypsilon, wahlweise als Mildhybrid oder kompletter Stromer. Zwei Jahre später erscheint das 4,60 Meter lange Elektro-SUV namens Gamma – ab diesem Zeitpunkt vollelektrisch –, und für 2028 ist die 4,40 Meter lange Limousine Delta vorgesehen. Eine Vorstellung, wohin die Marke Lancia strebt, lässt sich an und in der Konzeptstudie ansatzweise erkennen.
Futuristische Studie gibt Ausblick
Natürlich haben die italienischen Designer und Ingenieure alles in den Pu+Ra HPE hineingepackt, was in ihren Visionen herumspukt. Welche Merkmale in welcher Form schließlich in Serienfahrzeugen auftauchen werden, bleibt noch ein gut gehütetes Geheimnis. Höchstwahrscheinlich wird wie an der Studie am Bug ein stilisiertes Dreieck mit dem Lancia-Logo zu sehen sein. Auffällig am Heck sind markante runde Leuchten. Insgesamt ist am Pu+Ra HPE die geduckte Karosserie mit viel Lichteinfall und vornehmlich runden Formen außen wie innen unübersehbar – dies überträgt sich sogar auf die abgerundete Windschutzscheibe und kreisförmigen Dachelemente. Das futuristische Cockpit nimmt die Kreise spielerisch auf, wie Biagioli erläutert: „Ein Hingucker ist eindeutig die Mittelkonsole, die wie ein Beistelltisch wirkt. Da ist sie wieder: die Eleganza italiana!“
Dank eines ausgeklügelten Thermomanagements gibt es in der von Lancia gewollten Wohnzimmer-Wohlfühlatmosphäre keine Probleme mit einem aufgeheizten Raumklima wegen der großen Fensterflächen. Laminiertes Glas sowie elektrisch zu betätigende Verdunklungsstreifen können in der Studie auch unterschiedlichen Teilbereichen direkte Sonneneinstrahlung entziehen.
In die konkrete Wirklichkeit kommt Niccolò Biagioli wieder zurück, wenn es um den Vertrieb 2024 geht. „Wir werden hierzulande in Ballungsgebieten bei Händlern an 24 Standorten vertreten sein. Für den Service existiert zu gegebener Zeit ein Netz von 100 Betrieben. Selbstverständlich verkaufen wir auch online, vermutlich werden es 50 Prozent sein.“ Er ist zuversichtlich, dass die Wiedergeburt der italienischen Marke gerade auch in Deutschland auf ein zustimmendes Echo stoßen wird: „Die Lancia-Clubszene ist hier sehr ausgeprägt, und in den 1990er-Jahren liefen die Verkäufe super gut. Es gibt keinen Grund, warum das nicht wiederholbar sein sollte.“
Titelfoto: Stellantis