17.03.2024 Jessica Blank

Geräuschemissionen im Verkehr reduzieren

Neben Motorenlärm und aerodynamischem Geräusch hat das Reifen-Fahrbahn-Geräusch maßgeblichen Einfluss auf den Verkehrslärm. Wie man diese Geräuschemission – auch im Hinblick auf Elektromobilität – dauerhaft senken kann, ist Gegenstand eines groß angelegten Forschungsprojekts des Karlsruher Instituts für Technologie in Zusammenarbeit mit vielen Partnern.


Leise surrt der Elektromotor vor sich hin – und dennoch entsteht ein lautes Geräusch. Erzeugt von den Reifen im Kontakt mit der Fahrbahn. Um diese Geräuschemissionen zu reduzieren, spielen drei Faktoren eine Rolle: Auto, Reifen und Straße. Und hier setzt ein Forschungsprojekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) an: Tyre Road Noise – Reifen-Fahrbahn-Geräusch. „Wenn im Zuge der Elektrifizierung der Motorenlärm wegfällt, gibt es bei mittleren Geschwindigkeiten vor allem noch das Reifen-Fahrbahn-Geräusch“, erklärt Michael König vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik am KIT, der das Projekt operativ koordiniert. Das aerodynamische Geräusch, das man zum Beispiel auf Autobahnen hört, entstehe erst bei höheren Geschwindigkeiten.

Aufwendige Messungen

Die Grenzwerte für Geräuschemissionen regelt eine EU-Richtlinie, die eingehalten werden muss, damit Fahrzeugteile oder das Gesamtfahrzeug zugelassen werden können. „Der Messaufbau, um die Grenzwerte zu messen, ist starr vorgegeben und nur bedingt übertragbar auf die Realität“, sagt König. Da die Grenzwerte aber in den kommenden Jahren immer weiter gesenkt werden, werde es anspruchsvoller, diese auch einzuhalten. „Wenn man eine geräuschmindernde Maßnahme entwickeln würde, müsste man diese sehr ausführlich und aufwendig testen“, erzählt der Projektleiter. Viele Fahrversuche, viele Mikrofone, viele Daten – das sei teuer und langwierig. „Das schränkt die Entwicklungsgeschwindigkeit und auch die Effizienz ein.“

Bei dem vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit drei Millionen Euro geförderten Projekt Tyre Road Noise arbeitet das KIT mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft zusammen wie Fahrzeugherstellern, Reifenproduzenten oder der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), die sich unter anderem mit Fahrbahnbelägen beschäftigt. „Wir wollen erst einmal besser verstehen, wie dieses Vorbeifahrgeräusch im Reifen-Fahrbahn-Kontakt entsteht, und dazu wollen wir eine große Menge von Daten aufnehmen“, erklärt König die erste Projektphase. Stattfinden soll das in realen Fahrumgebungen und nicht nur in kontrollierten Testumgebungen. Gemessen wird das Vorbeifahrgeräusch aus dem fahrenden Auto heraus. Zusätzlich werden viele Parameter wie Rauigkeit der Fahrbahn, Zustand des Reifens, Betriebswerte aus dem Fahrzeug und Witterung festgehalten. Vier Elektroautos unterschiedlicher Hersteller stehen für die Tests zur Verfügung.
 

Die Grenzwerte für Geräuschemissionen im Straßenverkehr sind in einer EU-Richtlinie vorgeschrieben. Doch die Messungen erfolgen nicht unter realistischen Bedingungen. Laut Umweltbundesamt fühlen sich 75 Prozent der Bevölkerung von Verkehrslärm gestört. Foto: stock.adobe.com/© mpix-foto

„Wenn man das Vorbeifahrgeräusch aus dem fahrenden Auto heraus messen will, ist das ein bisschen schwierig“, erklärt König. Schließlich müssen alle Messgeräte straßenverkehrskonform im Fahrzeug aufbewahrt werden. Doch das KIT hat bereits eine Methode entwickelt, die nun zum Einsatz kommt: die akustische Torusmessung (ATM). Dabei misst ein Mikrofon, das durch ein Ventil geführt wird, den Schall im Reifeninneren. Durch die Wechselwirkung von Reifen und Fahrbahn entstehen Schwingungen im Reifen und Schall wird abgestrahlt. Diese Schwingungen erzeugen im Innenraum des Reifens ein Geräusch, das man Torusgeräusch nennt. Geschützt und ohne Störung durch äußere Einflüsse kann es gemessen werden.

„Aus verschiedenen Rechenmethoden, teilweise auch KI-gestützt, kann dann auf das Vorbeifahrgeräusch, wie es außerhalb vom Fahrzeug wahrgenommen wird, geschlossen werden“, erklärt König. KI, also Künstliche Intelligenz, spielt eine große Rolle bei der Verarbeitung der gesammelten Daten. „Mit diesem Datenschatz kann man ein datenbasiertes Vorhersagemodell trainieren. Das soll erlauben, mit wenig Testaufwand das Vorbeifahrgeräusch unter sehr vielen Umständen vorherzusagen, wenn man ein neues Fahrzeug hat oder eine geräuschmindernde Maßnahme implementiert hat“, beschreibt König. So sei es möglich, geräuschmindernde Maßnahmen unter allen Umgebungsbedingungen und Kombinationen von Reifen, Fahrbahn und Geschwindigkeit zu analysieren und damit zu erfahren, inwieweit diese Maßnahmen sich so auswirken wie erwartet.


„Es ist zu erwarten, dass man mit geringerem Aufwand in der Entwicklung effektivere Maßnahmen in Bezug auf Lautstärke hat.“

– Michael König, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)


Bei der akustischen Torusmessung (ATM) wird ein Mikrofon durch das Ventil ins Reifeninnere geführt und misst dort das Geräusch, das beim Abrollen des Reifens auf der Fahrbahn entsteht. Foto: „Road Condition Estimation with Data Mining Methods using Vehicle Based Sensors“ by Johannes Masino (2020), licensed under CC BY-SA 4.0

Weniger Verkehrslärm

Dieses KI-basierte Modell wird am Ende mit allen gesammelten Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, sodass jeder damit arbeiten kann. Für den Endverbraucher bedeutet das, dass in Zukunft leisere Systeme aus Reifen, Fahrzeug und Fahrbahn entwickelt werden könnten. „Es ist zu erwarten, dass man mit geringerem Aufwand in der Entwicklung effektivere Maßnahmen in Bezug auf Lautstärke hat“, sagt König. Und das bedeutet am Ende auch: „Wenn das von den betroffenen Parteien richtig eingesetzt wird, wird es weniger Verkehrslärm geben.“

 

Tyre Road Noise ist offen für assoziierte Partner, die das Projekt begleiten möchten. Infos unter projekt-tyre-road-noise.de.

Titelfoto: stock.adobe.com/© zdravinjo


Kategorien