24.07.2024 Wolfgang Sievernich

Serienmäßiger Autogasantrieb soll Umwelt und Geldbeutel schonen

Wer glaubt, dass billige Neuwagen mit alternativen Antrieben der Vergangenheit angehören, irrt. Dacia bietet mit dem Mittelklasse-Modell Jogger ein Fahrzeug mit Gasantrieb in der Klasse bis 20.000 Euro an, das Familien bei den Kraftstoffkosten erheblich entlasten kann. Im Praxistest überprüfen wir, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmig und die Mischung aus Kombi und Großraumvan auch umweltverträglich ist.


Umweltfreundliche Antriebe werden heutzutage oft mit der Elektromobilität gleichgesetzt. Größere E-Autos sind aber selten für Leute mit geringem Einkommen erschwinglich. Wer für einen familientauglichen Neuwagen mit alternativem Antrieb nicht mehr als 20.000 Euro ausgeben will, findet nur noch bei Dacia Gehör. 

Die Billigmarke aus Rumänien bietet das Mittelklasse-Modell Jogger als ECO-G 100 ab 17.900 Euro mit bivalentem Autogasantrieb an. Bivalent bedeutet, dass zwei Kraftstoffe in einem Motor verwendet werden können – hier Autogas und Benzin. Laut Hersteller greifen immerhin 40 Prozent aller Jogger-Kunden zum Autogasantrieb. Autogas ist eher bekannt als Flüssiggas, kurz LPG (Liquefied Petroleum Gas). Anders als Erdgas (CNG = Compressed Natural Gas) wird es nicht aus unterirdischen Lagerstätten gewonnen, sondern entsteht als Nebenprodukt bei der Erdöl- und Erdgasförderung. Als Brennstoff wird es im Haushalt auch zum Heizen verwendet. Autogas unterliegt der Norm DIN EN 589 und setzt sich aus Propan und Butan zusammen. Es soll mindestens zehn Prozent sauberer als Benzin und Diesel verbrennen. Doch dazu später mehr.

Daten Dacia Jogger ECO-G 100 Extreme+

  • Motor: Autogas (LPG)/Benzin: 1,0-l-Dreizylinder-Turbobenziner, 74 kW/101 PS (Benzin: 67 kW/91 PS)
  • Antrieb/Getriebe: Front, Sechsgang manuell
  • 0–100 km/h, Spitze: 12,3 (12,5) s, k. A. (175) km/h
  • Norm-/Testverbrauch: 7,7 l LPG (6,0 l S) [WLTP] / 9 l LPG (7 l S) 
  • CO2-Ausstoß Norm/Test: 118 (135) [WLTP] / 161 (162) g/km
  • L x B x H: 4,55 x 1,78/2,01 x 1,69 m
  • Radstand, Wendekreis: 2,9 m, 11,4 m
  • Kofferraum: 607–1.819 l
  • Leergewicht/Zuladung: 1.298 kg, 426 kg
  • Anhängelast: 1.200 kg
  • Stützlast, Dachlast: 75 kg, 80 kg
  • Tankinhalt: 40 l (LPG), 50 l (Benzin)
  • KH/VK/TK: 18/20/17
  • Kfz-Steuer pro Jahr: 66 Euro
  • Grund-/Testwagenpreis: 21.250 Euro, 21.250 Euro
  • Modell verfügbar ab: 17.900 Euro
  • Auswahl Basis-Ausstattung:
    Sechs Airbags, Berganfahrhilfe, elektrische Fensterheber (vorne), Teil-LED-Scheinwerfer, Zentralverriegelung, DAB+-Radio, Freisprecheinrichtung, Fahrersitz und Lenkrad höhenverstellbar

Der größte Vorteil von Autogas gegenüber Benzin liegt in der langfristigen Kostenersparnis beim Tanken. Ein Liter kostet etwas über einen Euro, während Superkraftstoff meist 70 bis 80 Cent mehr kostet. Das klingt lohnenswert, ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit. Aufgrund des geringeren Energiegehalts von Autogas gegenüber Benzin ist der Kraftstoffverbrauch im Gasbetrieb in der Regel 30 Prozent höher. Zapfen lässt sich Autogas in Deutschland an etwa 6.000 Tankstellen; EU-weit stehen rund 31.000 zur Verfügung. Wer sowohl den Gas- als auch Benzintank nutzt, kann dabei hohe Reichweiten erzielen. Sparfüchse verzichten im Alltag jedoch oft auf den kostspieligeren Benzinbetrieb. 
 

Den Dacia Jogger gibt es ausschließlich als fünftürigen Kombi. Foto: Wolfgang Sievernich
Die Gestaltung des Frontdesigns erinnert an den Kleinwagen Sandero. Foto: Wolfgang Sievernich

Basismotorisierung mit Autogasantrieb

Zurück zum Dacia Jogger. Der bivalente Autogasantrieb stellt auch gleichzeitig die Basismotorisierung dar. Der Dreizylinder-Turbobenziner erzeugt im Autogasbetrieb aus dem Hubraum einer Milchpackung (999 cm³) 74 kW/101 PS. Im Benzinbetrieb leistet er lediglich 67 kW/91 PS, was auf dem Papier zulasten der Spritzigkeit geht. In der Praxis ist ein Leistungsverlust dagegen nicht erkennbar.
 

In der höchsten Ausstattungsstufe Extreme+ ist ein Multimediasystem mit Navigation Serie. Foto: Wolfgang Sievernich
Die hochgezogenen Rückleuchten am Heck erinnern an Volvo-Modelle. Foto: Wolfgang Sievernich

Dennoch ist der Jogger auch mit dem Quäntchen Leistung mehr kein Ausbund an Dynamik. Gerade an Steigungen oder bei Überholmanövern würden wir uns mehr Durchzugskraft wünschen. Um den Drehmoment-Nachteil von maximal nur 170 Newtonmetern auszugleichen, hat der Hersteller dem Jogger ECO-G 100 ein weitgehend kurz übersetztes manuelles Sechsganggetriebe spendiert. Eine Automatik ist nicht verfügbar. Gehen die Gangwechsel in der City und über Land fix von der Hand, lässt sich bei Autobahntempo mit niedriger Drehzahl im sechsten Gang Strecke machen. 
 

Der Gastank in der Reserveradmulde schränkt den Platz im Kofferraum nicht ein. Foto: Wolfgang Sievernich
Der LPG-Tankanschluss verbirgt sich beim Jogger ECO-G unter dem Tankdeckel. Foto: Wolfgang Sievernich

Wie in der Theorie liegt auch der durchschnittliche Praxisverbrauch unseres Testwagens mit Autogas durch die Stadt, über Land und auf der Autobahn nahezu 30 Prozent über dem des Benzinbetriebs. Neun Liter LPG stehen sieben Litern Superbenzin (E10) gegenüber.  Verglichen mit den Herstellerangaben haben wir damit 1,3 Liter mehr Gas und einen Liter mehr Superkraftstoff verbraucht. Die Kapazität des Gastanks in der Reserveradmulde liegt bei 40 Litern. Theoretisch wären damit Reichweiten von fast 450 Kilometern vorstellbar. LPG-Tanks haben aber oft ein größeres Volumen als sie fassen können. Bei circa 80 bis 85 Prozent ist in der Regel Schluss. Grund ist ein Sicherheitspuffer, damit sich das Gas bei höheren Außentemperaturen im Tank ausdehnen kann. Bei kühlerem Wetter fließen meist ein paar Liter mehr, doch auch dann wird das Brutto-Volumen nicht erreicht. Auf den Testfahrten reichte der Gasvorrat für etwa 400 Kilometer.
 

Der Dreizylinder-Turbobenziner erzeugt im Autogasbetrieb 74 kW/101 PS. Foto: Wolfgang Sievernich
Mit einem Taster auf dem Armaturenbrett kann man manuell auf Gas umstellen. Foto: Wolfgang Sievernich

Gestartet wird grundsätzlich auf Benzin. Der Umschaltprozess auf LPG erfolgte bei unserem Testwagen mit kaltem Motor bereits nach wenigen hundert Metern, obwohl der Motor zu diesem Zeitpunkt noch keine Betriebstemperatur erreicht hatte. Das ist überraschend zeitig, da nachgerüstete Autogas-Anlagen in der Regel erst ab einer fortgeschrittenen Motortemperatur auf Gas umstellen und dafür einige Kilometer Fahrtstrecke zurückgelegt werden müssen. Da der Benzinverbrauch in der Kaltlaufphase höher ist, sparen Dacia-Fahrer also bares Geld. Laut Hersteller soll eine bessere Abstimmung zwischen werksseitig eingebauter Gasanlage und Motorsteuerung dafür verantwortlich sein. Bei einem Start mit warmem Motor erfolgt der Umschaltvorgang dagegen bereits innerhalb von Sekundenbruchteilen.

Je nach gewähltem Kraftstoff lässt sich die verbleibende Restmenge der beiden Tanks im Instrumententräger anzeigen. Ist der Gasvorrat erschöpft, schaltet die Technik fast unmerklich auf Benzinbetrieb um. Das war auf der Testfahrt nur an einem leichten Rucken bemerkbar. Außerdem ermöglicht ein beleuchteter Taster auf dem Armaturenbrett, manuell zwischen Gas und Benzin zu wechseln. Im Instrumententräger wird dabei die jeweilige Kraftstoffanzeige automatisch angepasst.

Der Tankvorgang von Autogas funktioniert ähnlich wie beim Tanken herkömmlicher Kraftstoffe. Dennoch sind ein paar Besonderheiten zu beachten. Hinter dem Tankdeckel des Jogger ECO-G 100 findet sich neben dem Einfüllstutzen für Benzin ein weiterer für Autogas. Auf diesen schraubt man einen Metalladapter, auf dem wiederum die LPG-Zapfpistole durch Drehen befestigt wird. Für den Tankvorgang muss man an der Zapfsäule einen Startknopf betätigen und für die Dauer des Tankvorgangs gedrückt halten. Während der Benzintank in der Regel innerhalb von 90 Sekunden befüllt wird, dauert es bei LPG einige Minuten. Es ist dabei nicht ungewöhnlich, dass beim Lösen des Zapfhahns etwas Gas entweicht. Da es stark heruntergekühlt wurde, ist es eisig kalt. 
 

Der Tankvorgang dauert bei Autogas länger als bei herkömmlichen Kraftstoffen. Foto: stock.adobe.com/© picturemaker01

Aufgepasst! LPG-Zapfpistolen können im Ausland anders beschaffen sein, was verschiedene Tankadapter erforderlich macht. In der Regel verwenden Deutschland, Tschechien, die Schweiz und Belgien einen Schraubadapter. Die Niederlande, Großbritannien und Spanien benutzen den Bajonett-Adapter; Spanien überdies einen Euro-Nozzle-Adapter. In Italien, Griechenland und Österreich ist ein Telleradapter notwendig. Als Set sind sie im Handel für etwa 50 Euro erhältlich. 

Für die beiden weiteren Motorisierungen des Joggers (Benzin und Hybrid) kann teilweise ein vollwertiges Ersatzrad gegen Aufpreis bestellt werden. Bei der Autogasversion entfällt dies aufgrund des Tanks in der Reserveradmulde. Ein Reifendichtmittel samt Kompressor muss für den Pannenfall reichen.

Mit einem Kofferraumvolumen von mindestens 607 und maximal 1.819 Litern kann man beim Fünfsitzer viel Gepäck einladen. Gegen Aufpreis (1.000 Euro) ist der Gas-Jogger zudem als Siebensitzer erhältlich. Allerdings begrenzt die aufgestellte dritte Sitzreihe das Kofferraumvolumen dann auf spärliche 160 Liter. 

Neben einem Spareffekt entstehen beim mit Autogas betriebenen Dacia Jogger aber auch zusätzliche Kosten. Insbesondere ist die Inspektion von Gasanlage und Motor zu berücksichtigen, bei der unter anderem das Ventilspiel überprüft wird. Die Wartung muss regelmäßig nach 20.000 bis 25.000 Kilometern durchgeführt werden. Kostenpunkt: 100 bis 150 Euro. Außerdem verlangen die Prüfer bei der Hauptuntersuchung (HU) eine zusätzliche Gas-Anlagen-Prüfung (GAP), die auch nach Reparaturen oder Unfällen nötig wird. Preis: 22 Euro im Rahmen der HU, sonst 28. 

Kein relevanter Emissionsvorteil 

Die eingangs erwähnte Emissionsersparnis von Autogas gegenüber Benzin lässt sich im Alltag jedoch nicht feststellen, zumindest nicht beim relevanten CO₂-Messwert. Nur ein Gramm (161 zu 162 g/km) liegt der Jogger im Autogasbetrieb unter dem Wert von Benzin. Dacia spricht beim Normverbrauch von einem Emissionsvorteil von 17 Gramm, umgerechnet 13 Prozent! Der Gas-Jogger ist bei der Umweltfreundlichkeit also nicht überzeugend. Anders verhält es sich dagegen bei den Kraftstoffkosten. Gasfahrer sparen an der Tankstelle 3,12 Euro* gegenüber dem Benzinbetrieb auf 100 Kilometer. Bei einer jährlichen Fahrleistung von 15.000 Kilometern summiert sich das auf eine Ersparnis von 468 Euro. Trotz der Kosten für Wartung und GAP bleibt damit immer noch ein ansehnlicher Betrag für die Haushaltskasse übrig. Wer die mittelmäßigen Fahrleistungen des bivalenten Antriebs moniert, könnte zum stärkeren Benziner mit 81 kW/110 PS greifen. Serienmäßig besser ausgestattet kostet dieser aber auch mindestens 1.500 Euro mehr.

 

Weitere Neuwagen mit werkseitiger LPG-Anlage

Dacia Sandero ECO-G 100

ab 13.250 Euro

Foto: Wolfgang Sievernich

Dacia Sandero Stepway ECO-G 100

ab 15.100 Euro

Foto: Dacia

Dacia Duster ECO-G 100

ab 18.950 Euro

Foto: Dacia

Renault Clio TCe 100 LPG

ab 20.250 Euro

Foto: Renault

Renault Captur TCe 100 LPG

ab 23.550 Euro

Foto: Renault


Wissenswertes zu Autogas

  • Autogas, auch Flüssiggas oder LPG (Liquefied Petroleum Gas) genannt, ist ein unter Druck (max. 10 bar) verflüssigtes Gemisch aus Propan und Butan, das bei der Erdöl- und Erdgas-Förderung sowie in Erdöl-Raffinerien anfällt. Es ist nicht mit Erdgas (CNG – Compressed Natural Gas) zu verwechseln. Autogas-Fahrzeuge können nicht mit Erdgas betankt werden und umgekehrt. 
  • In Deutschland gibt es rund 6.000 Zapfsäulen für LPG. Der Deutsche Verband Flüssiggas stellt eine Übersicht auf seiner Website zur Verfügung.
  • Nur Renault und Dacia bieten in Deutschland noch werksseitig eingebaute Autogasanlagen an. Viele Ottomotoren können aber nachgerüstet werden. Die Gesamtkosten einer nachgerüsteten Autogasanlage betragen zwischen 1.800 und 3.500 Euro. 
  • Am 31.12.2022 endete die steuerliche Förderung von LPG. Seitdem sind 22,09 Cent pro Liter Steuern fällig. Gegenüber Superbenzin (65,45 Cent) oder Diesel (47,07 Cent) fällt der Steueranteil deutlich niedriger aus.
  • Der Heizwert von LPG beträgt 6,8 Kilowattstunden (kWh) pro Liter, während Superbenzin auf 8,6 kWh/l kommt. Der Mehrverbrauch mit Autogas beträgt je nach Motor, Autogasanlage, Gaszusammensetzung und Fahrweise bis zu 30 Prozent. 
  • Die Nachrüstung einer Autogasanlage kann die Kfz-Steuer senken, da sie für Pkw mit Erstzulassung ab 1. Juli 2009 auf der Grundlage des CO₂-Werts berechnet wird.
  • Der Betrieb einer Autogasanlage verursacht Kosten für Wartung und Reparaturen. Im Rahmen der Hauptuntersuchung (HU) ist zusätzlich eine Gas-Anlagen-Prüfung (GAP) vorgeschrieben.

Titelfoto: Wolfgang Sievernich


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