Unkaputtbar? Über die Schwachstellen von E-Autos
Nur mit Strom betriebene Autos gelten als pflegeleicht, weil sie wenig Verschleißteile haben. Doch es gibt andere Schwachstellen. Und Werkstätten fehlt das Fachpersonal.
Rost war schon immer eine Plage, sie befällt auch Elektroautos. Frank Szillat kratzt an der angerosteten Antriebswelle eines Cupra Born. Eine rotbraune Flocke fällt auf den Werkstattboden. „Hier wurde an der Beschichtung gespart“, sagt der Kfz-Mechanikermeister. Von der Entdeckung scheint er selbst überrascht. Der Wagen ist in rund zwei Jahren erst 20.000 Kilometer gelaufen. Welche Defekte wird das Fahrzeug in vier, fünf Jahren haben?
Kaum welche, dachten viele Fahrer von Elektroautos bislang. Schließlich gelten die Wagen als besonders pflegeleicht, weil es in ihnen deutlich weniger Verschleißteile gibt als in Verbrennern. Bei Wartung und Reparatur ließen sich im Vergleich zum Diesel oder Benziner rund 35 Prozent sparen, errechnete etwa das Institut für Automobilwirtschaft (IFA).
Doch inzwischen mehren sich Zweifel, ob das stimmt. Elektrische Großserienmodelle von Tesla, Volkswagen und Co. fahren seit einigen Jahren im Alltagsbetrieb, nun zeigt sich: E-Autos, die als Schlüssel für klimafreundlichere Mobilität gelten, sind keineswegs so anspruchslos und robust wie angenommen. Hochkomplizierte Elektronik macht die Autos fehleranfällig. Gehen bestimmte Teile kaputt, kann die Instandsetzung weitaus teurer sein als beim Verbrenner.
Zu einem alarmierenden Befund kommt der Gesamtverband der Versicherer (GDV). Dessen Fachleute haben verglichen, wie häufig es zu Schäden bei 37 baugleichen Elektro- und Verbrennermodellen kommt. Danach fallen die Reparaturkosten von E-Autos im Durchschnitt um etwa ein Drittel höher aus. Besonders teuer wird es, wenn der Akku, das Herz des Antriebs, kaputt geht. Tauschakkus kosten mitunter 15.000 Euro und mehr.
Auch beim Cupra Born in Frank Szillats Werkstatt war schon der Akku defekt. Der Kfz-Meister nutzt den Wagen als Firmenauto. Die defekte Batteriezelle habe der Hersteller im Rahmen der Garantie getauscht, sagt Szillat. Zeigen kann er den reparierten Akku nicht, die Batterie ist wie bei den meisten E-Autos hinter Abdeckungen verborgen. Der Kfz-Meister öffnet die Motorhaube. Auch die Elektronik sei gut versteckt, was Reparaturen erschwere: „Da muss man erst einmal hinkommen.“ Gefragt sind also Fachleute, doch die sind knapp und teuer, hat der GDV festgestellt. „Den meisten Werkstätten fehlt für Arbeiten an Elektroautos noch Know-how, freie Werkstätten wagen sich oftmals nicht an E-Autos heran“, heißt es dort.
Bevor Mechanikermeister Szillat an Elektroautos arbeiten durfte, musste er Schulungen in Hochvolttechnik absolvieren. Das Arbeiten unter solcher Spannung ist lebensgefährlich. Schutzmaterial und Spezialwerkzeug sind nötig. Für eine freie Werkstatt, die Inspektionen für Hybrid- und Elektroautos anbieten wolle, sei der Aufwand beträchtlich. „10.000 Euro muss man da schon auf den Tisch legen“, sagt er.
In Vertragswerkstätten kommt es ebenfalls zu Engpässen, da mehr Menschen auf Elektroautos umsteigen. Große Probleme gibt es bei Tesla. Das auch in Brandenburg gebaute Model Y war 2023 meistverkaufter Pkw der Welt. Doch das Servicenetz wächst nicht schnell genug mit. Kunden beschweren sich über Qualitätsprobleme, zu wenige Werkstätten und lange Wartezeiten.
Ernüchterung bei Flottenbetreibern
Den Autovermietern Sixt und Hertz wurde es genug. Hertz kündigte 2024 früh an, sich von 30.000 Elektroautos zu trennen – der Hälfte seiner Stromer. Die Reparaturen seien kostenintensiver als angenommen, so das Unternehmen. Auch Sixt wurden Elektroautos im laufenden Betrieb zu teuer. Der Anbieter warf seine Teslas aus der Flotte.
In weiteren Firmen mit großem Fuhrpark klagten Manager zuletzt über ihre E-Autos. Nicht nur bei Tesla fielen Reparaturkosten höher aus als erhofft, sagt ein Mitarbeiter eines größeren Flottenbetreibers. Sein Unternehmen müsse teils länger auf Ersatzteile warten, Fahrzeuge stünden ungenutzt herum. Zudem seien einige Teile für E-Autos teurer, sogar Stoßstangenverkleidungen.
Tesla-Fahrzeuge galten einst sogar als „wartungsfrei“. Feste Serviceintervalle schaffte der US-Hersteller demonstrativ ab. Viele Kunden meinten da wohl, sie müssten höchstens mal das Wischwasser nachfüllen. Doch im TÜV-Report 2024 schnitt das Tesla Model 3 als Pkw mit den meisten Mängeln ab, schlechter noch als der Dauerverlierer Dacia Logan. Besonders oft beanstandeten die Prüfer Bremsen und Achsaufhängung des Tesla. Die Bremsscheiben waren fast viermal so oft hinüber wie im Durchschnitt aller TÜV-Kandidaten.
Dabei werden gerade die Bremsen bei E-Autos gern als langlebig beworben. Um zu verzögern, genügt es im Elektroauto meist, den Fuß vom Fahrpedal zu lupfen. Dann wirkt der E-Motor wie eine Bremse. Die eigentlichen Bremsen werden weniger benutzt, können deshalb aber frühzeitig rosten. Unlösbar sind solche Probleme offenbar nicht. Volkswagen habe erhöhte Korrosion bei Bremsen von Elektroautos erwartet, erklärt der Hersteller. Er setze deshalb einen speziellen Bremsbelag ein, der den Rost von der Scheibe abreibe.
Andere Belastungen, andere Problemstellen
Für Kfz-Sachverständige kommt die Mängelflut nicht überraschend. „Man hat uns glauben lassen, dass Elektroautos nicht so wartungsintensiv wie Verbrenner seien. Das erweist sich jetzt als Trugschluss“, sagt Michael Klemstein. Er ist leitender Ingenieur bei einer großen Kfz-Sachverständigenorganisation, seinen echten Namen will er nicht öffentlich machen.
Zwar hat ein E-Auto tatsächlich weniger Verschleißteile als ein Verbrenner. Zündkerzen, Turbolader oder Injektoren braucht es nicht. Doch dafür gibt es andere Schwachstellen. Probleme machen häufig Fahrwerk und Achsaufhängung. Sie gingen schneller kaputt, weil sie offenbar für das höhere Gewicht der Stromer nicht ausgelegt seien, so Kfz-Prüfer Klemstein. „Diesen Trend können wir schon jetzt in der Mängelstatistik sehen.“
Selbst banale Komponenten wie Reifen verschleißen bei E-Autos schneller, wohl weil sie starker Belastung ausgesetzt sind. EV-Reifen seien pro Stück etwa 20 Euro teurer, sagt Kfz-Meister Frank Szillat. Für das Fahrwerk seines Born findet er hingegen lobende Worte: Die Querlenker sähen noch sehr gut aus, die Vollgummibuchsen seien sichtbar verstärkt. Damit sie großen Kräften standhalten, stattet Cupra die E-Modelle mit speziell entwickelten Sportfahrwerken aus. „Beispielsweise verbauen wir verstärkte Stabilisatoren“, erklärt der Hersteller.
Besonders kompliziert bei E-Autos ist die Vernetzung von Hard- und Software. Es gibt verschiedene Kühl- und Wärmekreisläufe, um die Akkus zu temperieren. Dazu kommen Pumpen, Wandler und unzählige Sensoren. „Die Komponenten sind verschachtelter und nicht so einfach zu tauschen wie bei einem Verbrenner“, erklärt Klemstein. Dazu seien die Eingriffe an der Hochvolttechnik gefährlich. „In so einem System wird niemand mehr etwas reparieren können.“
Sind Elektroautos also Wegwerfprodukte auf vier Rädern? So negativ sieht Elektroantriebsexperte Markus Thoben, Professor an der Fachhochschule Dortmund, die Sache nicht. Das Kernstück des Elektroautos, der Antrieb aus E-Motor und Leistungselektronik sei „weniger anfällig“ als die vergleichbaren Komponenten beim Verbrenner. Das Getriebe sei nur noch einstufig. Das reduziert den Wartungsaufwand, viele Elektroautofahrer wollen ihre Autos deshalb nicht mehr missen.
Ob auch die Traktionsbatterien so lange ihren Dienst tun werden wie ein Antrieb mit Verbrennungsmotor, muss sich noch zeigen. Erste Dauertests belegen, dass die Akkus durchaus ein ganzes Autoleben durchhalten könnten.
Hastige Entwicklung und Qualitätsmängel
Zudem feilt die Industrie an Reparaturlösungen. Akkus von Toyotas Hybridautos beispielsweise sollen künftig auch freie Kfz-Werkstätten reparieren können. Zulieferer Bosch hat ein Reparatur-Kit entwickelt, das 20 Prozent günstiger ist als das Originalteil.
An Fehler, Updates und Rückrufe werden sich Halter von Elektroautos dennoch gewöhnen müssen. Die Technologie entwickelt sich rasant weiter. Stetig kommen neue Assistenzsysteme hinzu, Ziel ist das autonome Fahren. So gelangten neue potenzielle Fehlerquellen ins Auto, sagt Professor Markus Thoben. An Lösungen könne nur von Fall zu Fall gearbeitet werden.
Viel wird davon abhängen, ob und wie stark die Hersteller an der Qualität sparen. Wegen der Konkurrenz aus China tobt ein Preiskampf. Die europäischen Marken müssen rasch günstige Elektroautos liefern. Wie groß der Druck bei E-Autos ist, zeigt ein Vergleich zwischen dem VW ID.3 und dem E-Golf. Der inzwischen eingestellte E-Golf basiert auf der siebten Generation des Golf, der bei Pannenstatistiken gut abschnitt. Den ID.3 entwickelte Volkswagen schnell, um Tesla etwas entgegenzusetzen. Anfangs bereitete die Software erhebliche Probleme.
Auch Kfz-Meister Frank Szillat hatte schon Softwarepech mit seinem Cupra Born, der mit dem ID.3 technisch nah verwandt ist. So stürzte auf einer Fahrt nach Sachsen das komplette System ab, der Bildschirm war pechschwarz. In Foren fand Szillat heraus, dass es sich um ein typisches Problem bei E-Fahrzeugen von Volkswagen handelt. „Da mussten auch wir neue Erfahrungen machen, es lief nicht gänzlich problemfrei“, erklärt Cupra. Die Schwierigkeiten seien inzwischen weitgehend gelöst, wenn auch nicht bei jedem Exemplar.
Kfz-Meister Szillat nahm den Ausfall sportlich, wenigstens sei das Auto noch gefahren. „Kinderkrankheiten haben sie alle“, sagt er. Doch grundsätzlich schätze er die Vorzüge der E-Mobilität.
Titelfoto: stock.adobe.com/© Summit Art Creations
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