01.06.2024 Jessica Blank

Warum kaufen Menschen E-Autos – oder nicht?

Menschen sind Werbung gegenüber grundsätzlich skeptisch. Geht es um „grüne“ Werbung, erst recht. Marketingwissenschaftler der Universität Kassel haben nun erforscht, welche Rolle nachhaltige Versprechen der Hersteller beim Elektroauto-Kauf spielen. Neben dem sogenannten Greenwashing sind aber auch andere Faktoren kaufentscheidend, wenn es um Elektromobilität geht.


Grüne Wiese, Blümchen in der Hand, Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach des Eigenheims, eine glückliche Familie mit Elektroauto: So wie auf unserem Bild unten könnte eine perfekte „grüne“ Werbung für E-Mobilität aussehen. Aber glauben Kundinnen und Kunden solche Werbeaussagen wirklich? Das Interesse an E-Autos ist in Deutschland eher verhalten. Um dem entgegenzuwirken, setzen die Hersteller darauf, die Umweltaspekte und Nachhaltigkeit ihrer Fahrzeuge immer wieder hervorzuheben. „Das Spannende ist: Wir glauben es ja doch nicht. Wir wissen ja, dass Marketingkommunikation einen gewissen Manipulationszweck verfolgt“, erklärt Prof. Ralf Wagner.
 

Ein perfektes, „grünes“ Werbemotiv für Elektromobilität. Aber glauben die Menschen solchen Marketingbotschaften überhaupt? Foto: stock.adobe.com/© Halfpoint

Wir glauben es ja doch nicht.
Wir wissen ja, dass Marketingkommunikation einen gewissen Manipulationszweck verfolgt.“

– Prof. Dr. Ralf Wagner, Marketingwissenschaftler, Uni Kassel


Generelle Skepsis

Um herauszufinden, warum Menschen Elektroautos kaufen – und warum nicht – und wie grüne Werbung dabei beeinflusst, hat der Marketingwissenschaftler der Uni Kassel zusammen mit seiner Kollegin Dr. Katrin Zulauf eine internationale Studie durchgeführt. Neben deutschen wurden auch spanische und chilenische Verbraucher einbezogen. „Es hat uns interessiert, ob es Unterschiede zwischen den Ländern in den Kaufabsichten für Elektroautos gibt. Das war an der Stelle nicht der Fall, das war relativ homogen“, sagt Dr. Katrin Zulauf.

Skepsis gegenüber Werbung ist generell nichts Neues. Aber: „Gerade in dem Kontext von grüner, nachhaltiger, ökologischer Werbung ist Greenwashing ein Thema. Die Kunden haben das Gefühl, dass eine Firma sich umweltfreundlicher präsentiert, als sie eigentlich ist“, erklärt Dr. Zulauf. Und dann gebe es immer wieder Skandale, die dazu führen würden, dass die Werbung von nachhaltigen und ökologischen Produkten noch skeptischer beäugt werde. „Die Frage, die uns Marketingwissenschaftler umtreibt, ist: Was nehmen die Verbraucherinnen und Verbraucher den Firmen davon ab und was nicht? Und selbst wenn sie es glauben, hat es überhaupt eine Relevanz? Oder zählen in dem Moment im Autohaus dann andere Dinge?“, sagt Prof. Wagner.


Mein Umfeld muss das E-Auto gut finden.“

– Dr. Katrin Zulauf, Marketingwissenschaftlerin, Uni Kassel


Ein Ergebnis der Studie ist, dass der direkte Einfluss der Werbung auf die Kaufabsicht relativ klein ist. Allerdings prüfen die Käufer schon, ob die Message, die die Firma in ihrer Werbung transportiert, mit ihren Werten und ihrem grünen Gewissen übereinstimmt. „Das ist bei nachhaltigen Produkten noch stärker, als das bei traditionellen Sachen der Fall ist“, erklärt Dr. Zulauf. „Eigentlich kaufen sich die Menschen, die ökologisch orientiert sind, das gute Gewissen“, ergänzt Prof. Wagner. Laut der Studie überraschend stark ist der soziale Einfluss beim E-Auto-Kauf. „Mein Umfeld muss das E-Auto gut finden. Und das muss sich in der Werbung widerspiegeln“, erklärt Dr. Zulauf. Das Auto werde quasi nicht für sich selbst gekauft, sondern für Kollegen, Nachbarn, Freunde, meint Prof. Wagner. „Die Kundinnen und Kunden, die ein Elektroauto kaufen, kaufen es, um eine vermutete soziale Erwartung zu befriedigen.“ Der soziale Faktor zieht aber genauso andersrum: Wenn das soziale Umfeld Elektromobilität komplett ablehnt, wird man sich eher kein E-Auto zulegen.
 

Auto weiterhin als Statussymbol?

Als weitere kaufentscheidende Faktoren stellt die Marketing-Studie den Preis und das grüne Gewissen heraus. „Uns hat überrascht, dass die erwartete Qualität des Autos keinen Einfluss hatte. Da hätten wir gedacht, dass die Leute mehr Wert drauf legen“, berichtet Dr. Zulauf. Auch Emotionen würden keine so große Rolle mehr spielen. Das könne ein Hinweis darauf sein, dass das Auto als Statussymbol in gewisser Weise abnehme. „Was wir im Moment sehen, ist eine Dauerberieselung in reichweitenstarken Medien mit grünen und nachhaltigen Argumenten. Das wird nicht fruchten“, erklärt Marketing-Professor Wagner. „Was früher funktioniert hat, funktioniert heute nicht mehr.“

Und wie sieht es in anderen Märkten wie Spanien und Chile aus? Die Märkte seien vergleichbar, auch wenn der Hintergrund ein anderer sei. „In Deutschland sind wir geprägt von politischen Prozessen. Der Rückgang der Nachfrage ist in gewissen Teilen auf das Agieren der Regierung zurückzuführen“, sagt Prof. Wagner. Dafür sehe man in Deutschland die negativen Seiten von E-Mobilität noch nicht so stark. In Chile schon, da Lithium auch dort abgebaut wird. „Die Menschen lesen dort in der Zeitung, wie die Menschen zu neuem Wohlstand und Einkommen kommen, aber natürlich auch wie sie unter dem Abbau der Ressourcen leiden.“ Deswegen wollte man auch wissen, wie dort umweltfreundliche Marketingbotschaften ankommen. „Wir hätten erwartet, dass sie das erst recht nicht glauben, aber sie waren nicht skeptischer“, berichtet Prof. Wagner.

Was Deutschland angeht, müssten nicht nur die Hersteller auf die kaufentscheidenden Faktoren in ihren Marketingstrategien eingehen. Auch die Politik könnte zu mehr Akzeptanz von E-Mobilität beitragen. „Um das Vertrauen zu gewinnen, sind Konstanz in der politischen Richtung und der Ausbau der Infrastruktur das Wichtigste“, sagt Dr. Zulauf. Die Aufgabe sei es, die Rahmenbedingungen zu setzen, damit man wisse, dass das Elektroauto auch morgen noch gefahren werden könne – ohne Angst liegen zu bleiben, weil keine Ladesäule in Sicht ist. „Wir müssen zusehen, dass wir eine Ladeinfrastruktur bekommen, die den Anforderungen auch dann genügt, wenn sich mehr Leute ein Elektroauto kaufen“, macht Prof. Wagner deutlich.

Die Marketingwissenschaftler der Uni Kassel werden die Marktentwicklung weiter im Blick behalten. Für Prof. Ralf Wagner ist Elektromobilität nicht die Lösung. „Wir werden nicht zehn Milliarden Menschen auf der Welt mit einem Elektroauto versorgen können. Da werden wir ganz viel Public Transport brauchen. Wir brauchen eine Mobilität, die auch im Winter funktioniert, wenn man längere Wege zur Arbeit hat. Das sind Punkte, wo unsere Politik noch ganz viel Luft nach oben hat.“ Und Forscher noch viele Ansatzpunkte für weitere Studien haben.

Titelfoto: stock.adobe.com/© Kalyakan


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