Viel Handlungsbedarf: Wege zu sicherem Radverkehr
Beim 60. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar war der ARCD in dem Arbeitskreis vertreten, der sich mit Sicherheit beim Fahrradfahren befasste.
Es ist das Ziel von Bund, Ländern und Kommunen, die Rolle des Fahrrads zu stärken. Wie aber ist mehr Radverkehr bei zugleich besserer Verkehrssicherheit realisierbar? Ein wichtiger Punkt ist die Infrastruktur, lautet die Botschaft, die Rechtsanwalt Christian Aldebert als Vertreter des ARCD vom diesjährigen Verkehrsgerichtstag mitbringt: „Wenn man mehr Sicherheit im Radverkehr haben will, dann muss man sich überlegen, wie man den Verkehrsraum, der ja nur begrenzt vorhanden ist, anders aufteilt.“ Eine große Herausforderung, wenn entsprechende Maßnahmen nicht übermäßig zu Lasten des motorisierten Verkehrs oder der Fußgänger gehen sollen. Allerdings habe der Verkehrsgerichtstag deutlich gemacht, dass gute Regelwerke für die Gestaltung von sicheren Radverkehrsanlagen vorhanden seien. Nur: „Die Regelwerke müssten vernünftig umgesetzt werden, dann hätte man sehr viel gewonnen“, beschreibt Aldebert die Problematik.
Damit genau dies einfacher wird, fordern die Experten des Verkehrsgerichtstags, die Ziele des Straßenverkehrsgesetzes sowie § 45, Abs. 9 der Straßenverkehrsordnung zu modifizieren. „Grundsatz ist, der flüssige Verkehr muss aufrechterhalten werden. Gemeint ist da immer der Kfz-Verkehr“, sagt Aldebert. Die Gemeinden könnten zwar zugunsten des Radverkehrs planen, Voraussetzung sei aber immer eine erhebliche Gefahrenlage. Die Idee sei nun, von dieser Erheblichkeitsschwelle wegzukommen und so vor Ort mehr juristisch wasserdichte Entscheidungs- und Planungsspielräume zu haben. Dann könnten die Kommunen proaktiv und präventiv den Radverkehr nach ihren Wünschen gestalten, erklärt Aldebert. Vereinfacht gesagt: Es müssten nicht erst Unfallschwerpunkte identifiziert werden, sondern es könnte sicherere Infrastruktur geschaffen werden, bevor etwas passiert. Nach Meinung des ARCD stimmt hier die Zielrichtung, denn noch immer verzichten zu viele Menschen auf das Fahrrad nur deshalb, weil sie sich damit im Verkehrsgeschehen unsicher fühlen.
Alkohol am Lenker
Auch das Verhalten der Radfahrenden selbst nahm der Verkehrsgerichtstag in den Blick, etwa die verbesserungswürdige Helmtragequote oder Alkoholvergehen. Wiederholt kritisierten die Experten, dass es beim Radfahren unter Alkoholeinfluss keinen Ordnungswidrigkeitentatbestand gebe. „Bis jetzt ist bei 1,6 Promille die Grenze“, sagt Aldebert. Bis zu diesem Blutalkoholwert dürfe man noch Fahrrad fahren. „Das kann natürlich nicht sein.“ Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, Sanktionsmöglichkeiten auch unterhalb dieser Grenze einzuführen, auch wenn das juristisch nicht einfach sei, wie der Rechtsanwalt zugesteht. Neben solchen Überlegungen stelle sich aber grundsätzlich die Frage, ob sich ein gesellschaftlicher Wandel vollziehe und sich der Stellenwert des Fahrrads in Deutschland ändere, resümiert Aldebert. „Bei uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Straße für das Auto da ist. Das ist einfach historisch bedingt.“ Im Nachbarland Niederlande etwa sehe das mit besserer Radinfrastruktur schon lange anders aus. Corona und die Umweltkrise hätten jedoch dazu beigetragen, dass ein Umdenken zumindest angestoßen worden sei.
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