14.07.2023 Andy Schwietzer

Verbrauchsoptimierte Motorräder für unterschiedliche Geschmäcker

Motorräder fahren nicht unbedingt effizienter als Autos, nur weil sie kleiner und leichter sind. Aber die Wahl der passenden Maschine kann neben dem persönlichen Fahrstil einen entscheidenden Beitrag leisten, bei Fahrten auf einem Zweirad mit Verbrenner die Umweltbelastung zu reduzieren.


Wir alle wollen und werden mit fossilen Kraftstoffen sparsamer umgehen müssen. Der Plan der EU im Straßenverkehr klimaneutral zu werden, wird uns die nächsten Jahrzehnte begleiten. Doch das muss nicht das Ende der Freude am Motorrad sein. Vielleicht sogar im Gegenteil. Sollten synthetische Kraftstoffe verfügbar sein, kann die Sparsamkeit vieler Motorräder den höheren Einstandspreis von e-Fuels möglicherweise relativieren.

Wenn man sich den Bestand von gut 4,7 Millionen zugelassenen Motorrädern anschaut, trägt dieser mit nur 1,4 Prozent zur gesamten Verkehrsleistung aller deutschen Kraftfahrzeuge bei. Motorräder legen durchschnittlich ungefähr 2.200 Kilometer im Jahr zurück, während Pkw im Mittel die sechsfache Strecke fahren. Das liegt daran, dass der größte Teil alltäglicher Fahrten wie zum Einkaufen, zum Transport von Familienangehörigen oder für Arbeitswege meist mit dem Auto erledigt wird. Motorräder spielen im Alltag eine geringe Rolle. In den meisten Haushalten sind sie typische Freizeitfahrzeuge. Das macht die Rolle des Motorrades angreifbar. Jedoch sollten sich Kritiker überlegen, ob die Motorradfahrt zum Vergnügen eher zu benörgeln ist als die Autofahrt zum Popkonzert, ins Kino oder dem Auswärtsspiel der heimischen Fußballmannschaft.

Und auch wenn drei Viertel der deutschen Motorradkäufer einen geringen Verbrauch nicht als wichtiges Kaufkriterium für eine Maschine sehen, macht sich langsam ein Umdenken breit. Das Bewusstsein, dem Klima zu schaden, wenn Benzin verbrannt wird, gehört zum Allgemeingut. Immerhin werden aus jedem Liter verbranntem Benzin 2,37 Kilogramm Kohlendioxid (Quelle: www.co2online.de).

 

Noch sind niedrige Verbrauchswerte kein entscheidendes Kaufkriterium für Motorräder. Trotzdem lässt sich mit bestimmten Modellen vergleichsweise sparsam fahren. Foto: stock.adobe.com/© boyloso

Aerodynamik als Effizienzfaktor

Motorräder, die oft nur ein Sechstel eines Pkw wiegen, verbrauchen meist mehr als halb so viel Kraftstoff. Das liegt in erster Linie an der schlechten Aerodynamik von Maschine samt der Aufsassen. Der Luftwiderstand ist das Produkt aus Luftwiderstandsbeiwert (cw-Wert) und angeströmter Stirnfläche (in m²). Da unverkleidete Motorräder mit Piloten im Bereich von 0,8 cw liegen, ist deren Luftwiderstand trotz geringerer Frontfläche aufgrund des vergleichsweise hohen cw-Wertes mit dem absoluten Luftwiderstand eines strömungsgünstigen Sportwagens wie dem Porsche Cayman nahezu identisch.

Ein typisches Motorrad hat bei 100 km/h unbeschleunigter Fahrt einen Leistungsbedarf am Hinterrad von etwa sieben PS. Bei 150 km/h steigt dieser auf 23 PS, also muss der Motor mindestens 27 PS produzieren – etwa 15 Prozent gehen auf dem Weg zum Hinterrad verloren. Bei niedrigen Spitzengeschwindigkeiten (kurvige Gebirgsstrecke, Stadtverkehr) und häufigen Geschwindigkeitsänderungen ist das leichte Motorrad dem Pkw überlegen, bei schneller Autobahnfahrt aufgrund der schlechten spezifischen Aerodynamik unterlegen.

Auf Schnellstraßen sind sportlich verkleidete Motorräder gegenüber „nackten“ oder Reiseenduros im Vorteil. Strömungsgünstige Verkleidungen mit kleiner Stirnfläche sind typisch für Sport- und Rennmotorräder – in Verbindung mit der gebückten Sitzhaltung der Piloten.

Die Rolle der Motorkonstruktion

Ein ökonomischer Fahrstil bringt ebenfalls Ersparnis. Dazu gehört – wie auch bei Autos – von vornherein, jede Fahrt zu überlegen und eventuell mehrere Fahrtgründe miteinander zu verbinden und so in Summe weniger Kilometer zurückzulegen. Und wenn man unterwegs ist: gleichmäßig beschleunigen, so wenig wie möglich bremsen, mit geringen Drehzahlen fahren und 100 km/h nicht deutlich überschreiten.

Doch auch die Bauweise des Motors und die Auslegung seiner Parameter entscheiden über Verbrauchswerte. Daher zeigen wir auf diesen Seiten aus den verschiedenen Motorradklassen besonders sparsame Modelle, damit Sie sehen, wie bescheiden Motorräder sein können.

Leistungsstarke Maschinen mit großen Hubräumen laufen praktisch nur in wenig effizienten Teillastzuständen. Deren große Ansaugquerschnitte und Einlassventile, lange Ventilüberschneidungen sowie hoher Ventilhub sind gut für hohe Spitzenleistung, aber ungünstig für den Verbrauch. Außerdem erzeugen viele Zylinder viel Reibung und wenn dann noch drehzahlfeste – also harte – Ventilfedern den leichten Lauf hemmen, steigt der Verbrauch.

Selbst bei sehr sportlicher Fahrweise werden jenseits der Autobahn selten mehr als 70 PS abgerufen. So sollten sparsame Leute um stärkere Motorräder getrost einen Bogen machen. Gut für den Verbrauch sind maximal zwei Zylinder mit Einzelhubräumen unter 400 Kubik. Dazu möglichst kleine Ansaugquerschnitte und kompakte Brennräume, wie sie typisch sind für langhubige Motoren mit begrenzter Drehzahl.

Sparen lässt sich in jeder Klasse

Diese uralte Technikschule findet sich beispielsweise bei der brandneuen Royal Enfield HNTR 350. Von ähnlichem Zuschnitt mit mehr Komfort und doppeltem Hubraum ist die schlicht und dabei raffiniert gemachte Tourenmaschine Honda NC 750 X. Die 59 PS (wahlweise 48 PS) starke 750er wurde motorisch von vornherein auf Laufkultur und niedrigen Verbrauch getrimmt.

Eine modisch-fesche Alternative zu den nostalgischen Enfields ist die BMW G 310 R. Mit moderner Doppelnockenwellentechnik und ungewöhnlichem Layout erzielt die handliche BMW hervorragende Verbrauchswerte. Sicherlich helfen dabei auch die zierliche Gestalt und das geringe Gewicht der Maschine.

Der ungekrönte König der Spardosen ist Hondas Leichtkraftrad CB 125 F, das nach WMTC-Zyklus (World Motorcycle Test Cycle) mit 1,5 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern Strecke zufrieden ist. Ihr um Einspritzung und viele kleine Spartricks ergänzter Motor stammt als fahrtwindgekühlter Zweiventiler noch aus den späten 1960ern.

So sparsam wie diese CB ist kein Roller. Bei denen sorgen hohe Rollwiderstände und besonders der gegenüber einem Schaltgetriebe schlechtere Wirkungsgrad der Variomatik für höhere Verbräuche. Einer der sparsamsten Variomatik-Roller wird von Piaggio gebaut. Der gebläsegekühlte Liberty 125 ist motorisch auf Augenhöhe mit der Honda CB 125 F und gehört zu den genügsameren Rollern, benötigt aber rund 30 Prozent mehr Sprit als die CB.

Am anderen Ende des Zweiradangebots findet sich das beliebteste Motorrad der Deutschen. Von vornherein bringt die BMW R 1250 GS die Lizenz zum Trinken mit. Einzelhubräume von 670 Kubik und – mit breit aufgespanntem Fahrer – ein Luftwiderstand wie ein Kleintransporter sorgen für die Erwartung von saftigen Verbrauchsziffern. Dennoch ist die Maschine meist mit rund viereinhalb Litern zufrieden. Ruhige Naturen fahren das „Zweirad-SUV“ mit vier Litern pro 100 Kilometer. BMW-typisch setzen die Münchner auf Hightech. Der dort und in anderen BMW-Modellen verbaute Boxermotor nutzt axial verschiebbare Nockenwellen. Das heißt: Im Teillastbereich arbeitet der Boxer mit zahmen Steuerzeiten und geringem Ventilhub. Im fast nie benutzten Volllastbereich bringen großer Ventilhub und scharfe Steuerzeiten enorme Fahrleistungen. Das kostet natürlich alles Geld, Gewicht und Bauraum, bringt aber gute Fahrbarkeit und spart Kraftstoff.

Und die sportlichen Motorräder? Hier zeigen wir gern auf die Yamaha R7. Ihr auch in anderen Yamaha- und Fantic-Modellen verbauter und extrem bewährter „Crossplane“-Twin, der mit 270 Grad Kurbelwellenversatz akustisch einen V2 imitiert, beschleunigt die R7 in 7,2 Sekunden aus dem Stand auf 140 km/h und – was viel wichtiger ist – im größten Gang von 4,8 Sekunden von 60 auf 100 km/h. Mit einer Spitze von 216 km/h dürfte man auf der Autobahn jederzeit locker mithalten können. Dank glatter Schale, geringer Frontfläche und strömungsgünstiger Sitzhaltung des Piloten bleibt die R7 auch bei forscher Autobahnfahrt sparsam.
 

Foto: Royal Enfield

Royal Enfield HNTR 350

Motor:

1 Zylinder

Hubraum:

349 cm³

Antrieb:

Kette

Getriebe:

5 Gänge

Leistung:        

15 kW/20 PS

Spitze:

115 km/h

Gewicht:

181 kg

Verbrauch*:   

2,8 l/100 km

Herstellungsland:      

Indien

Preis:              

ab 4.590 Euro

Foto: BMW

BMW G 310 R

Motor:

1 Zylinder

Hubraum:

313 cm³

Antrieb:

Kette

Getriebe:

6 Gänge

Leistung:        

25 kW/34 PS

Spitze:

143 km/h

Gewicht:

159 kg

Verbrauch*:   

3,33 l/100 km

Herstellungsland:      

Indien

Preis:              

ab 5.300 Euro

Foto: Piaggio

Piaggio Liberty 125

Motor:

1 Zylinder

Hubraum:

124 cm³

Antrieb:

Riemen

Getriebe:

Variomatik

Leistung:        

8 kW/11 PS

Spitze:

91 km/h

Gewicht:

124 kg

Verbrauch*:   

2,5 bis 3 l/100 km

Herstellungsland:      

Vietnam

Preis:              

ab 2.999 Euro

Foto: Honda

Honda CB 125 F

Motor:

1 Zylinder

Hubraum:

124 cm³

Antrieb:

Kette

Getriebe:

5 Gänge

Leistung:        

8 kW/11 PS

Spitze:

95 km/h

Gewicht:

117 kg

Verbrauch*:   

1,5 l/100 km

Herstellungsland:      

Indien

Preis:              

ab 3.060 Euro

Foto:BMW

BMW R 1250 GS

Motor:

2 Zylinder

Hubraum:

1254 cm³

Antrieb:

Kardan

Getriebe:

6 Gänge

Leistung:        

100 kW/136 PS

Spitze:

219 km/h

Gewicht:

249 kg

Verbrauch*:   

4,6 l/100 km

Herstellungsland:      

Deutschland

Preis:              

ab 18.300 Euro

Foto:Yamaha

Yamaha R7

Motor:

2 Zylinder

Hubraum:

689 cm³

Antrieb:

Kette

Getriebe:

6 Gänge

Leistung:        

54 kW/73 PS
(auch: 35 kW/48 PS)

Spitze:

216 km/h

Gewicht:

189 kg

Verbrauch*:   

4 bis 4,5 l/100 km

Herstellungsland:      

Japan

Preis:              

ab 9.799 Euro

Foto: Honda

Honda NC 750 X

Motor:

2 Zylinder

Hubraum:

745 cm³

Antrieb:

Kette

Getriebe:

6 Gänge (auch: DCT)

Leistung:        

43 kW/59 PS
(auch: 35 kW/48 PS)

Spitze:

173 km/h

Gewicht:

214 kg

Verbrauch*:   

3,5 bis 3 l/100 km

Herstellungsland:      

Japan

Preis:              

ab 8.900 Euro

* Zu den Verbrauchsdaten: WMTC bedeutet „World Motorcycle Test Cycle“ und beinhaltet einen Fahrzyklus zur vergleichenden Messung des Kraftstoffverbrauchs. Die fixen Verbräuche entstammen unabhängigen Tests der deutschen Zeitschrift „Motorrad“ der Motor Presse Stuttgart. Die Verbräuche mit „bis“ entstammen Nutzererfahrungen.

Verbrauchsthema hat viele Facetten

Es ist also für jeden etwas dabei, wenn die Tankstelle nicht zu oft besucht werden soll. Außerdem gehören zum großen Thema Verbrauch ganz allgemein noch andere Aspekte: So etwa der geringere Bedarf an Verkehrs- und Parkflächen für Motorräder. Und: Bei der Produktion eines Pkw – auch eines „Elektrikers“ – werden rund 70 Tonnen Material verbraucht. Bei einem Motorrad ist es nur ein Siebtel dieser Menge. Vielleicht ist ein sparsames Motorrad die umweltfreundlichere und vergnüglichere Alternative zum Zweitwagen?  


Titelfoto: stock.adobe.com/© megaflopp


Das könnte Sie auch interessieren