29.09.2022 Thomas Schreiner

Kein Gegensatz: Das Klima schützen und trotzdem Spaß haben?

Nachhaltigkeit wird häufig mit Entsagung und Verzicht anstelle von Heiterkeit und Lebensfreude in Verbindung gebracht. Das muss nicht so sein.


Was tun, wenn die Ewigkeit doch endlich ist? Lars Ostenfeld macht sich jedenfalls große Sorgen um die Zukunft. Der dänische Filmemacher hat für eine 86-minütige Dokumentation drei Gletscherforscher auf ihrer Expedition buchstäblich ins grönländische Inlandseis begleitet. „Into the Ice“ ist eine „Ohrfeige“, wie Campino, Sänger der Band Die Toten Hosen und Erzählstimme des Films, es nennt. Eine Ohrfeige, die der Mensch manchmal brauche, um aus der Routine seiner Verdrängungsmechanismen herauszufinden.

Bei den meisten Leuten ist angekommen, dass wir mittendrin sind in der Klimakrise. Trotzdem fehlt es häufig an konsequentem Handeln. Aus Bequemlichkeit oder aus Sorge, Gewohnheiten aufgeben und vielleicht auf etwas verzichten zu müssen. Lieber verdrängen wir Probleme, wenn Konsequenzen zu ziehen bedeutet, dass wir unser Verhalten ändern müssten, um nachhaltiger zu leben. Wir haben lähmende Angst vor Freudlosigkeit. Zu Unrecht, denn es ist möglich, die Umwelt zu schonen und das Leben zu feiern.
 

Ökologischer rocken

Wie man richtig feiert, das weiß Coldplay, und das wissen auch deren Fans. Zu ihrer aktuellen Tour „Music of the Spheres“ startete die britische Rockgruppe mit dem Anspruch, 50 Prozent emissionsärmer als zuvor unterwegs zu sein. In TV-Bildern waren Solar- und Mini-Windkraftanlagen, auf Fahrradgeneratoren strampelnde und auf kinetischen Dancefloors zur Stromerzeugung tanzende Menschen zu sehen. Klimafreundliche Kraftstoffe und Materialien sollen verwendet worden sein.

Es ist bekannt, dass hier wohl nicht alles grün ist, was glänzt, und sich die Musiker dem Vorwurf von Naivität und Greenwashing ausgesetzt sehen. Obwohl in der Kommunikation vorab scheinbar zu dick aufgetragen wurde, ist der Ansatz bei den Konzerten trotzdem stark: Nachhaltigkeit mindestens symbolhaft in einen Bereich hineintragen, der Lebensfreude pur verspricht, und damit viele Menschen erreichen. Ein erster Schritt, auch wenn am seriösen Wirkungsgrad noch zu arbeiten ist.

Etwas weniger öffentlichkeitswirksam, dafür sehr ernsthaft arbeitet die Initiative Cradle to Cradle NGO im „Labor Tempelhof“. Auch hier mit dabei: Die Toten Hosen sowie ihre Kollegen von Die Ärzte. Auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin wurde im August getestet, ob und wie sich alle Aspekte einer Konzert-Großveranstaltung im Sinne einer ökologisch orientierten Kreislaufwirtschaft realisieren lassen. „Wir wollen Impulse in die Politik und Wirtschaft geben und zum Umdenken anregen – denn das ist nicht nur in der Veranstaltungsbranche, sondern auch in unserer Gesellschaft dringend notwendig, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten“, erklärt die geschäftsführende Vorständin von Cradle to Cradle NGO, Nora Sophie Griefahn, das Leuchtturmprojekt. Ausführliche Ergebnisse dazu sind im November zu erwarten.

Solche Beispiele alleine retten noch nicht die Welt. Das kann nur durch eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Großtransformation gelingen. Für die braucht es den Willen, neue Wege zu gehen und konsequent zu handeln, groß zu denken und auf die Details zu achten. Dann aber ist es sogar möglich, Nachhaltigkeit und Lebensfreude miteinander in Einklang zu bringen.


Titelfoto: Cradle to Cradle NGO/Jörg Steinmetz


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