Ballonfahren als Erlebnis im Tiroler Kaisergebirge
Jedes Jahr Ende Januar trifft sich die Ballonfahrerszene im Tiroler Kaiserwinkl. Die bunten Ballons vor der Kulisse des verschneiten Kaisergebirges sind ein Augenschmaus – und mitfahren dürfen Gäste auch!
Jedes Abenteuer braucht die richtige Ausrüstung! Für eine Ballonfahrt in der kältesten Zeit des Jahres muss daher eine Daunenjacke für extreme Wintertemperaturen her. Derart warm eingepackt wird mich hoffentlich der Mut nicht verlassen. Mit meiner Höhenangst in einen Heißluftballon zu steigen, ist nämlich neben den zu erwartenden Minusgraden die zweite Herausforderung. Außerdem wäre da noch die Wetterfrage zu klären. Die Voraussage für Mittwoch prognostiziert nur Gutes. Auch der Donnerstag soll vormittags passabel bleiben. Da wollen wir in die Luft gehen und reisen darum am Vortag an.
Leider ist auf den Wettergott kein Verlass. Der Traumtag hat bereits am Dienstag stattgefunden. Das lässt sich auf den Fotos bewundern, die die Ballonfahrer beim morgendlichen „Briefing“ in der Schulhalle von Walchsee, der Gemeinde am gleichnamigen See, herumzeigen. Bunte Ballons schweben vor blitzblauem Winterhimmel. Die Gipfel des Kaisergebirges präsentieren sich imposant mit ihren markanten Zacken. An eine imperiale Kaiserkrone sollen sie erinnern, daher der Name. Das Gebirge teilt sich auf in den Wilden Kaiser und den Zahmen Kaiser, der etwas weniger steil in die Höhe strebt. Die touristische Region zu Füßen der beiden Bergformationen nennt sich passend dazu Kaiserwinkl und wirbt mit dem Slogan: „Aufregend, wenn Du es willst“. Hier treffen sich seit 2001 jedes Jahr in der letzten Januarwoche Ballonfahrer aus verschiedenen europäischen Nationen zum „Alpin Ballooning“. Zuletzt waren mehr als 40 Teams aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz dabei.
Nacht-Show am See
In die Tallage des Kaiserwinkls schmiegt sich der Walchsee als im Sommer blaugrünes Juwel. Jetzt liegt er wie erstarrt im Frost. An seinem Ufer ist einer der Startplätze und auch der Veranstaltungsort des Night Glowing, bei dem die Ballons zwar am Boden bleiben, jedoch mit Heißluft gefüllt und illuminiert zu einer Musikchoreografie in Szene gesetzt werden. Wie riesige Lampions leuchten die Ballons in der Nacht. Apropos: Ballons oder Ballone – beides ist richtig. Die Bewunderer, Einheimische wie Gäste, halten sich mit Glühwein oder Fruchtpunsch warm. Das Night Glowing funktioniert bei jedem Wetter.
Das Ballonfahren allerdings nicht, wie sich am Donnerstagfrüh beim Briefing zeigt. Die Walchsee-Wetterfee heißt Heidi Schmid und was sie zu berichten hat, klingt ernüchternd: kein Kaiserwetter im Kaiserwinkl! Das noch am Vortag freundlich präsente Hochdruckgebiet hat sich über Nacht auf den Atlantik zurückgezogen. Nun hat sich eine Hochnebeldecke breitgemacht, dazu hängt ein tiefes Wolkenband über den Bergen, das keine nennenswerten Auflockerungen erwarten lässt. Am problematischsten aber könnte der Wind werden.
Immerhin ist Zeit genug für ein paar Fragen. Warum spricht man ausdrücklich vom Ballonfahren und nicht vom Fliegen, was nur Ahnungslose äußern? Wettkampfleiter Thomas Schaller kann es erklären: „Als die Brüder Montgolfier in Frankreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts erstmals einen Heißluftballon aufsteigen ließen, kannte die Menschheit das Fliegen noch gar nicht. Es gab nur Karren und Kutschen zu Land sowie Boote und Schiffe, mit denen man das Wasser befahren konnte. Der Ballon war daher ein Gefährt, mit dem man das Luftmeer befahren konnte.“
Schlechte Prognose
Zwei Stunden später am Startplatz stehen die Transportfahrzeuge der Teams, aber kein einziger Ballonkorb ist aus den Anhängern ausgeladen worden. Stattdessen werden zwei Testballons gestartet. Es sind ganz normale, heliumgefüllte Luftballons, die bei ihrem Aufstieg in den grauen Himmel mit den Augen aufmerksam verfolgt werden. Sie treiben eindeutig auf das Massiv des Zahmen Kaisers zu. Da aber möchte kein Ballonfahrer hingedrückt werden, weil man am Hang bekanntlich nicht landen kann und schon gar nicht bei derart miserablen Sichtverhältnissen. Fazit: Heute geht kein Ballon in die Luft! Und für die nächsten Tage sieht es nicht besser aus.
Aktiv im Schnee
Nun ist es ja nicht so, dass man im Kaiserwinkl nur Ballonfahren könnte. Nein, es gibt allerlei Aktivitäten, die auch bei schlechtem Winterwetter möglich sind: Sich in der Bio-Käserei Walchsee durch zig Sorten Bergkäse probieren. Auf Winterwanderwegen spazieren, etwa rund um den See, dessen Schilf sich mit Eisschmuck präsentiert. Oder sich von Herrn Fischbacher und seinen treuen Pferden Leo und Rocky mit zwei PS durch die verschneite Landschaft kutschieren lassen. Wer es aktiver mag, leiht sich in Kössen im Nordic Center eine Langlaufausrüstung und zischt über die rund 120 Loipenkilometer, die gratis benutzt werden dürfen.
Gerade als es am nächsten Tag so richtig flutscht auf der Rundloipe bei Kössen, kommt der Anruf, dass ein Abheben vielleicht doch noch möglich sei. Jedoch nicht in Walchsee, sondern in St. Johann in Tirol, gut 30 Kilometer entfernt. Also steigen wir ins Auto und fahren so flott, wie es die kurvenreiche Strecke erlaubt, zum Startplatz. Es müsse schnell gehen, hieß es am Telefon, sonst passe es mit dem Wetter wieder nicht mehr. Also im Laufschritt die letzten Meter zu unserem roten Ballon mit dem Kürzel D-ORLP. Wir wollen jetzt vor allem flugs in die Luft. Aber erst müssen die 900 Quadratmeter Stoff mit Heißluft gefüllt werden. Dann schnell in den Ballonkorb aus Weidengeflecht klettern. Pilot Pascal Kreins ist seit 14 Jahren hauptberuflicher Ballonfahrer und Mitglied der Nationalmannschaft. Noch einmal zieht er kräftig an den Gashebeln, das typische Fauchen der Brenner ertönt, dann hebt der Korb unmerklich vom Boden ab.
Rund um uns schweben andere Ballons in die Luft. Um die Berggipfel brodeln Wolken, ganz selten nur blitzt die Sonne durch. Mit jedem Meter, den wir aufsteigen, wird es kälter. Feine Schneeflocken rieseln auf uns herab. Direkt nach unten zu schauen, erweist sich als ungut bei Höhenangst, aber der Blick in die Weite und auf das Wolkengeraufe am Horizont geht problemlos. Der Wind sirrt, der Brenner faucht. Was denn das Gefährlichste am Ballonfahren sei, will die Kollegin wissen, die mit an Bord ist. Pascal kennt die Frage schon. Und er weiß auch die Antwort: „Erwiesenermaßen immer die Heimfahrt mit dem Auto!“ Die Landung erfolgt fast so unmerklich wie das Abheben. Sanft und kaum spürbar setzt der Ballon auf einer verschneiten Wiese in gebührendem Abstand zur nächsten Stromleitung auf. Nach dem Aussteigen packen alle mit an, um die Stoffmassen zusammenzufalten und zu verpacken. Dann erst setzt ein deutliches Glücksgefühl ein.
ARCD-Reiseservice
- Anreise:
Vom Rhein-Main-Gebiet bis Walchsee sind es rund 490 km via A 3 und A 9 über München und Rosenheim. Wer die Autobahn bei Oberaudorf bzw. Bernau/Reit im Winkl verlässt, braucht kein Maut-„Pickerl“.
Mit dem Zug über München ab ca. 50 € pro Strecke.
Gäste erhalten vorab per E-Mail die kostenfreie Kaiserwinkl-Card und fahren gratis mit dem stündlich ab Kufstein verkehrenden Bus über Walchsee bis Kössen. - Übernachten:
Seehof in Walchsee, komfortables Haus mit großer Schwimm- und Saunawelt, DZ mit Frühstück ab ca. 260 €, HP-Aufschlag pro Person nur 9 €, www.seehof.com.
Mountain Inn in Walchsee, hübsche Chalets mit Küchenzeile, Übernachtung für 2 Personen ab ca. 150 €, www.mountaininn.at.
Außerdem viele schöne Ferienwohnungen vor Ort. - Erleben:
Das nächste Alpin Ballooning findet vom 20. bis 27. Januar 2024 statt. Ballonfahrten für Gäste in dieser Zeit 280 €, im Rest des Jahres ab 340 € pro Person, www.alpen-ballon-events.at - Käserei: www.biokaeserei-walchsee.at
- Kutschfahrten: www.dagnhof.at
- Langlauf lernen: www.nordic-center.com
- Auskünfte: www.kaiserwinkl.com
Titelfoto: TVB Kaiserwinkl