25.07.2024 Stefan Weißenborn

Familienurlaub am Ringkøbing-Fjord

Einmal rund um den größten Küstensee des Landes: So wird ein Dänemark-Urlaub – sonst oft auf den Strand begrenzt – abwechslungsreich. Und man lernt Westjütland auch von einer verschlafenen Seite kennen. Beach und Badespaß schließt das jedoch nicht aus.


Das Zelt steht. Der Platz in den Dünen ist ideal. Doch in der Nacht zieht ein Sturm auf, der uns die Plane und das Gestänge auf die Nasen drückt. Keine Frage: Am Morgen brechen wir wie viele andere Gäste die Zelte ab, denn sämtliche Wetter-Apps verheißen auch noch Regen. Plan B muss her für die letzten Tage dieses Familienurlaubs am Ringkøbing-Fjord in Dänemarks Westen.

Los geht die Rundreise um den Fjord eine Woche zuvor in Hvide Sande, wo die Familie für die ersten Tage – typisch dänisch – ein Ferienhaus bezieht. Nahe der Fjordmündung wurde jüngst im Stil alter Fischerhütten eine Gästesiedlung errichtet. Die Kulisse ist charmant, zwischen den Neubauten stehen noch baufällige Originale.  

Der Fischerort liegt begnadet inmitten von Holmsland Klit, einem 30 Kilometer langen, aber teils nur wenige hundert Meter breiten Dünen- und Salzwiesenlandstreifen, der die Nordsee vom Fjord trennt. Zur Regulierung des Wasserstandes wurde zwischen 1928 und 1931 eine Entwässerungsschleuse gebaut. Ihr allein verdankt Hvide Sande, 1931 gegründet, seine Existenz.

Im Uhrzeigersinn geht es nach Norden. Außerorts wuchert lila blühend die Heide, die Strandrosen tragen tomatenrote Hagebutten. Die Nehrung ist eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch: Zum Meer hin türmen sich die Dünen vor der Nordsee auf, zwischen den einzelnen Buckeln führen sandige Schneisen zum Meer. Ein Kindheitstraum und Traum für die Kinder.
 

Endloser Strand

Denn dahinter wartet eine andere Welt: Sandstrand, so weit das Auge reicht, das ewige Krachen der Brandung, ein entspanntes Publikum aus Lagernden und Spazierenden. Auch am Himmel ist was los: Bunte Lenkdrachen tanzen umher – Volkssport in Dänemark. Und je größer das Teil, „desto mehr PS brauchst du in den Armen“, sagte uns ein Verkäufer im Drachenladen in Hvide Sande.

Nächster Stopp ist Lyngvig Fyr, Dänemarks jüngster Nordsee-Leuchtturm, 1906 erbaut. Oben auf der offenen Ringplattform ist das Panorama Geografie zum Anfassen: auf der einen Seite die hell-gleißenden Spiegelungen auf dem Fjord, auf der anderen die Nordsee, unter uns wie Kapillaren die Wege in der Dünenheide, ein wahres Gemälde.

Ab Søndervig am nördlichen Ende des Klits geht die Route landeinwärts. Maritim war es eben noch, jetzt sind wir inmitten eines Meeres von wiegendem Schilf. Nächster Stopp und Unterkunft für die Nacht ist das namensgebende Ringkøbing mit seinen roten Backsteinhäusern und Gassen. Ringkøbing war im Mittelalter bedeutende Schifffahrts- und Handelsstadt. Heute legen Freizeitkapitäne an. Gerade ist hier bizarres Schaffen im Rahmen eines Festivals angesagt: Motorsägen kreischen am Hafen, Künstler bearbeiten Holzblöcke, dass die Späne nur so fliegen.

Einen Vorgeschmack auf das harsche Wetter bekommen wir im „Naturkraft“-Erlebnispark am Ortsrand, halb Museum, halb Outdoor-Spielplatz mit Pädagogikansatz, wo Besucher lernen, was Mutter Erde so auf dem Kasten hat. Vor dem Windsimulator flattern unsere Regenjacken und Ponchos. Windstärke 12 zeigt das Display. Mit den Handys drehen wir lustige Selfie-Videos. Wir rösten Knäckebrot über offenem Feuer und erfahren, welche Bedeutung Wind- und Wasserkraft in der Kommune Ringkøbing-Skjern haben. In Westjütland soll ein großer Energiepark zur Erzeugung grüner Kraftstoffe entstehen.
 

Faszination Fluss

Die Landstraße auf der Inlandseite des Fjords führt entlang von weiß-blühenden Kartoffeläckern, rechts liegt das Haff wie ein großer Spiegel, kopfüber darin die bauschigen Wolken. Bei Skjern wird die Landschaft wieder abwechslungsreicher. Hier mündet Dänemarks wasserreichster Fluss, der Skjern Å, im Fjord. Noch in den Achtzigern war er begradigt, im Rahmen eines Renaturierungsprojektes gab man der Landschaft ihr ursprüngliches Gesicht zurück: ein Delta mit Feuchtwiesen, Mooren, sich schlängelndem Flusslauf.

Bis zum Bauch in den Wasserläufen der Auenlandschaft stehen kapitale Wiederkäuer, Vögel jagen kreischend irgendetwas hinterher. Am besten erlebt man das jenseits der Landstraße zu Fuß oder auf dem Fahrrad. An zwei Stellen müssen Flussarme mit Seilfähren überquert werden, die per Hand betätigt werden. Ein Familienvater aus Hannover berichtet, sie kämen immer wieder „weil die Kinder es so lieben“. Auch der sich anschließende Uferwald mit moosigem Boden, Heidelbeeren und würziger Luft ist reizvoll. Der Süden des Fjords bietet selbst zur Hochsaison eine Ruhe, die man an der Nordseeküste kaum findet. Noch am belebtesten ist Bork Havn, wo Fischer Boote und Motoren putzen und die Lokale mit Fish and Chips um die Ausflügler buhlen.

Der nächste Tag bringt noch einmal Sonne und Blau. Nichts wie zum Meer! In Hvide Sande wartet Surflehrer Justus Schuberth, auch der Vater und die Söhne zwängen sich in enge Surfanzüge: „Es herrschen beste Bedingungen, kaum Wind und beständige und regelmäßige Wellen“, sagt Justus. Nach den Trockenübungen am Strand geht es unter Anleitung auf Wellenjagd. 
 

Stürmisches Finale

Müde vom Strandtag kriechen wir ins Zelt. Es folgt die stürmische Nacht. Beim Plan-B-Schmieden haben wir Glück. Ein Hotel im nahen Blåvand hat noch ein Familienzimmer frei. Der Wind nimmt uns den Atem, wir stopfen alles ins Auto und ziehen um. Vom Zimmer aus beobachten wir demütig den zappelnden Strandhafer. Wir trauen uns auf einen Spaziergang ans Meer. Der Sand peitscht in Schlieren über die Flächen, die Nordsee kocht. Einige mutige Windsurfer nutzen die wilden Wellen als Sprungschanze. Haushoch sind ihre Sätze.
 

Aufs Planschen wollen auch wir nicht verzichten. Wir flüchten ins Lalandia in Søndervig, ein Spaßbad mit Rutschen und künstlicher Surfwelle. Eine gute Idee nach dem Strandspaziergang mit Expeditionscharakter. Doch das Fazit der Kinder ist klar: Die Brandung am Meer, die Dünen, alles in natura, das ist das tollere Erlebnis. Und der Sturm, der wird sich bald gelegt haben. Das war bisher immer so.
 

ARCD-Reiseservice

  • Anreise: 
    Mit dem Auto nach Hvide Sande. Ab Stuttgart (ca. 1.000 km) benötigt man rund elf Stunden, ab Berlin (ca. 650 km) sieben.
  • Unterwegs: 
    Die Strecke um den Fjord ist gut 100 Kilometer lang, drei bis vier Tagesetappen mit wechselnden Unterkünften bieten sich an. Wer mit dem Fahrrad fährt, trifft auf gut beschilderte Wege. Erweitern lässt sich die Route um Blåvand, wo der westlichste Punkt Dänemarks liegt.
  • Übernachten (Preise je für eine vierköpfige Familie): 
    Hvide Sande: Ferienhaussiedlung, eine Woche im Sommer ab umgerechnet rund 550 €, www.feriepartner.de;
    Ringkøbing: Hotel Fjordgaarden mit Dachpool und gutem Restaurant, Übernachtung/Frühstück ab etwa 290 €, www.hotelfjordgaarden.de;
    Skjern: im Kulturcenter (Billard, Bowling etc.) im Holzfass, ab 180 €,  www.rskulturcenter.dk;
    Nymindegab: Nymindegab Kro mit feinem Restaurant und Dünenblick, Übernachtung/Frühstück ab etwa 280 €, https://nymindegabkro.dk. Rund um den See gibt es Campingplätze.
    Blåvand: Resort Hvidbjerg Strand mit tollem Spa, drei Tage in der Ferienwohnung im Strandhotel in der Saison ab rund 1.150 €, www.hvidbjergstrand.de
  • Aktivitäten: 
    Surfen: Anfängerkurse im Wellenreiten etwa bei Westwind ab 55 €, https://de.westwind.dk;
    Spaßbad Lalandia in Søndervig, Tagesticket pro Person 299 Kronen (rund 40 €), www.lalandia.dk.
    Leuchtturm Lyngvig Fyr, Eintritt 75 Kronen (10 €), unter 18 Jahren frei,
    https://ringkobingfjordmuseer.dk
  • Auskünfte:
    www.visitvesterhavet.de, www.visitdenmark.com

Titelfoto Stefan Weißenborn


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