18.04.2023 Martina Katz

Marmararegion und türkische Ägäis: Landschaft voller Zauber

Die Nordwesttürkei ist ein wunderbarer Mix aus griechischer Kultur und türkischer Lebensart. Goldgelbe Sandstrände, traditionelle Bergdörfer, das berühmte Troja und ein Naturpark machen den Urlaub perfekt.


Foto: Martina Katz

Yakup Tüfekci steht an der Hafenpromenade von Cunda hinter einem leuchtend blauen Tisch. Der 42-jährige Bäcker hat darauf 500 Simit, traditionelle Sesamringe, in vier Reihen übereinandergestapelt. Hinter ihm ankern kleine Ausflugsboote im Golf von Edremit. Auf dem Boden der Promenade trocknen Fischernetze. Türkische Paare, die Frauen mit Kopftuch, die Männer mit Sonnenbrille, schlendern an ihm und einer Handvoll Restaurants vorbei. „Morgens backe ich 8.000 Stück in meinem Holzofen in der Bäckerei 20 Kilometer weiter südlich. Um acht Uhr baue ich dann hier draußen meinen Tisch auf. Das Geschäft läuft gut. Wenn ich alles verkaufe, habe ich umgerechnet 700 Euro verdient“, sagt Yakub stolz und übergibt einer jungen Frau eine große Tüte gefüllt mit dem Hefeteiggebäck.

 

Yakup Tüfekci verkauft seine traditionellen Sesamringe an der Hafenpromenade von Cunda. Foto: Martina Katz
Der Markt von Cunda lockt mit Obst und Gemüse von den Bauern der Umgebung. Foto: Martina Katz

Grüne Inselkette

Cunda ist ein typisches westtürkisches Küstenstädtchen an der Ägäis und gleichzeitig der Name einer Insel, dem Ausgangspunkt zum Naturpark Ayvalık-Inseln. Der knapp 180 Quadratkilometer große Park zählt 19 unbewohnte Eilande. Die grünen Inseln im türkisfarbenen Meer, umrandet von hellen Sandstränden und kleinen Buchten, sind für ihre wilden Hasen berühmt. Dazu gibt es mehr als 750 Pflanzenarten, fünf davon endemisch, und über 670 Meerestiere. Im Sommer fahren Boote von Cunda zu den anderen Inseln, und Menschen aus der gesamten Türkei kommen für ihren Urlaub hierher.

Cunda, die größte Insel, ist per Brücke mit dem Festland verbunden. Da sie bewohnt ist, gehört sie nicht zum Naturpark. So schön wie ihre Schwestern ist sie aber allemal. Palmen und Olivenbäume säumen die Kopfsteinpflaster-Straße vorbei an historischen Steinhäusern bis zum Meer. In der Altstadt laden verwunschene Gassen, bunte Geschäfte und gemütliche Cafés zum Bummeln ein. Im Café Taş Kahve werden die Kaffeebohnen noch mit der Hand gestampft, auf dem Markt verkaufen Frauen Aprikosen, Artischocken und rote Bohnen.

Die Mehrheit der Bewohner stammt von der griechischen Nachbarinsel Lesbos. Ein Bevölkerungsaustausch nach dem griechisch-türkischen Krieg brachte sämtliche Türken im Jahre 1924 zurück ins Land. Doch die hier in vergangenen Zeiten lebenden Griechen haben ihre Spuren hinterlassen. Die griechisch-orthodoxe Taxiarchenkirche aus dem 19. Jahrhundert ist mit ihren schönen Rundbögen längst ein Museum, die einst griechische und von Türken wiederaufgebaute alte Windmühle ein Café mit grandiosem Ausblick auf die Weite des Naturparks. Den schönsten Blick aber gibt es vom Şeytan Sofrası, dem Teufelstisch. Auf diesem Felsen soll der Teufel seine Fußspuren hinterlassen haben. Mit etwas Fantasie lässt sich der Abdruck tatsächlich erkennen.

Rätselhaftes Troja

Fantasie spielt auch in Troja eine Rolle. Jeder kennt die Geschichte vom Trojanischen Pferd, dessen Original-Requisite aus der Troja-Verfilmung mit Brad Pitt an der Hafenpromenade der Provinzhauptstadt Çanakkale die Urlauber verzückt – neben Palmenalleen und der neuen Hatime Ana Ulu Moschee. Zwar streiten sich die Experten, ob die UNESCO-Weltkulturerbestätte Troja ein überregionales Handelszentrum war oder nur eine mittelmäßig bedeutende Siedlung. Dass hier im Laufe der 4000-jährigen Geschichte mehrere Städte übereinandergebaut wurden und deshalb ein Stadthügel entstand, und der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann die Ruinen im 19. Jahrhundert entdeckte, ist aber Konsens.

 

An der Hafenpromenade von Çanakkale steht das Trojanische Pferd aus der Troja-Verfilmung mit Brad Pitt. Foto: Martina Katz

Vor Corona kam fast eine Million Besucher im Jahr. Nach der pandemiebedingten Flaute strömen sie jetzt wieder verstärkt zu der verwunschenen Ausgrabungsstätte. Steineichen wachsen in den Himmel, weiß blühende Steppenrauten, die die Alten noch nutzen, um böse Geister aus ihrer Wohnung zu vertreiben, breiten sich aus. Dazwischen sind die Reste eines Theaters oder ein Altar für Tieropfer zu erkennen. „Die Erde, die Sonne, der Stein und die Geschichte sind einfach wunderbar“, schwärmt Hüdai Süha. Der 30-jährige Archäologe aus Çanakkale arbeitet seit sechs Jahren in Troja. „Im vorletzten Jahr habe ich in der Agora, dem Versammlungsplatz, einen mehr als 2300 Jahre alten Goldring und einige Bronzemünzen aus dem Jahr 200 nach Christus gefunden. Das war vielleicht ein Glücksgefühl.“ Hüdais Augen strahlen. Mehr als 2.000 Originale sind im hiesigen Museum ausgestellt, das sich zwischen grünen Feldern und gewaltigen Olivenhainen erhebt.

Fruchtbares Land

Die Nordägäis ist Heimat der Olivenbäume und landwirtschaftliches Zentrum. Tabak, Baumwolle, Sonnenblumen und Oliven, wohin das Auge blickt. Roter Mohn blüht am Straßenrand, ein Bauer treibt seine Schafherde über eine Wiese. Im Urlaubsörtchen Güre säumen hübsche Strandhäuser die Palmenpromenade am Meer. Im Bergdorf Çıplak, wo Heinrich Schliemann während seiner Grabungen wohnte, haben die Einwohner ihre Fassaden mit floralen Motiven bemalt. In Adatepe sind die Häuser aus dem örtlichen Andesit-Stein gebaut, oben in osmanisch-türkischer Architektur, unten in griechischer. In den Innenhöfen wachsen Mirabellen, Ziegen drängeln sich an einer Wasserstelle und in der Olivenölfabrik werden die Früchte noch traditionell zwischen Ziegenhaarmatten gepresst.

Im Bergdorf Hacıarslanlar im Schatten des Ida-Gebirges betreiben Gudrun Wagner und Ferit Uzunoglu eine Biofarm. Die Österreicherin und der Türke leben seit elf Jahren auf Ferits elterlichem Hof. Bis in die 1920er-Jahre lag hier ein staatlicher Forst, dann wurden die Kiefern und Pinien gerodet und Olivenhaine angepflanzt. Heute erntet das Ehepaar die Früchte von 600 Bäumen per Hand, denn ein Traktor passt nicht auf die steilen Hänge. „Uns ist eine Kreislaufwirtschaft wichtig mit möglichst wenig Input von außen. Also verwenden wir unseren Kuhdung im Garten und verfüttern die Olivenblätter an die Kühe“, sagt die 39-jährige Gudrun. „Wir sind viel draußen. Arbeit ist das nicht, allerdings gibt es für uns auch keinen Urlaub“, ergänzt der ein Jahr jüngere Ferit. Handgemachten Käse, Gemüseboxen und Olivenöl versenden sie in die gesamte Türkei, Privathäuser und Restaurants in Ayvalık werden beliefert. Für das Paar hat sich damit ein Traum erfüllt, den sie in der Nordwesttürkei voll und ganz ausleben können.

 

Ferit Uzunoglu und Gudrun Wagner haben ihr Glück als Biobauern im Bergdorf Hacıarslanlar gefunden. Foto: Martina Katz
In Adatepe sind die Häuser aus dem örtlichen Andesit-Stein gebaut. Foto: Martina Katz

ARCD-Reiseservice

Anreise:

  • Zum Beispiel mit Turkish Airlines ab Stuttgart nach Istanbul und weiter nach Edremit. Von dort per Bus nach Çanakkale oder Ayvalık. Alternativ per Flug nach Izmir und weiter per Bus nach Ayvalık.

Unterkunft:

ARCD-Buchungsservice:

Das ARCD Reisebüro (Tel. 0 98 41 / 4 09 150 oder info@arcd-reisen.de) ist Ihnen gern bei der Planung Ihrer individuellen Reise in die Nordwesttürkei behilflich. Auch Gruppenreisen sind im Angebot, z. B.

  • eine neuntägige Studienreise „Höhepunkte Westtürkei“ mit Studiosus,
  • eine zwölftägige Studienreise „Westtürkei & Meer“ mit Gebeco und
  • eine 16-tägige Studienreise „Höhepunkte der Türkei“ mit Ikarus Tours.

Auskünfte:

Türkisches Fremdenverkehrsamt, Tel. 069 / 23 30 81, www.goturkiye.com

Titelfoto: stock.adobe.com/©ern


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