25.09.2023 Stefan Weißenborn

Lošinj – eine herbstliche Reise nach Kroatien

Buchten im Einsamkeits-Modus und Outdoor-Spaß ohne Angst vor Sonnenstich: Die kroatische Insel Lošinj ist in der Nachsaison der Hit. Und sie setzt auf gesundheitsbewusste Gäste. Schon die Habsburger wussten ihr gutes Klima zu schätzen.


Ob er den frisch Angekommenen nur etwas Nettes sagen möchte, weil das zum guten Ton im Umgang mit Gästen in der gehobenen Hotellerie zählt? Jedenfalls sagt Branimir, der Concierge im Boutique-Hotel Alhambra, als er mit vollem Gepäckwagen auf Zimmer Nummer 116 zurollt: „Das ist die beste Zeit des Jahres.“ Er spricht vom Herbst.

Wenn die Hauptsaison im September zu Ende geht, entfaltet die Adria-Insel Lošinj, in der Kvarner-Bucht südlich von Rijeka gelegen, einen Zauber nach dem Touristenansturm. Allein, dass es am Hafen von Mali Lošinj, dem Hauptort, geruhsam zugeht, ohne dass er verlassen wirkt, ist Anzeichen einer Entspannung, der sich viele Einheimische entgegensehnen. Obwohl sommers im Tourismus, dem Wirtschaftsfaktor Nummer eins, das meiste Geld gemacht wird. Auf Gäste überträgt sich diese Gelassenheit schnell.

Die Sonne wärmt tagsüber noch bei angenehmen 22 Grad. Und nachts fällt die Temperatur im Oktober auf spätsommerliche 18 Grad und kaum darunter. Um 20 Grad habe auch das Meerwasser noch, sagt Branimir und deutet auf das hoteleigene Badeplateau der Čikat-Bucht, die schon in den Pioniertagen des Lošinjer Tourismus eine zentrale Rolle spielte.
 

Die Villen in der Čikat-Bucht von Mali Lošinj, einst von Adeligen gebaut, beherbergen heute Hotels. Foto: stock.adobe.com/© Tilo Grellmann

Schon früh Promi-Insel

Als die Insel zu Österreich-Ungarn gehörte und Lötzing hieß, bauten sich die Adeligen und Reichen, meist aus Wien, in der Bucht ihre Sommerresidenzen. Eine davon: die Villa Karolina. Sie wurde von ihrem Gatten, dem österreichischen Kaiser Franz Joseph, für Sisi gebaut, berichtet Hoteldirektor Christian Wolny. Die vielreisende Elisabeth von Österreich-Ungarn kam 1891 zum ersten Mal auf die Insel.

Heute beherbergen viele der Villen wieder Touristen: Die Villa Alhambra, 1920 vom Wiener Architekt Alfred Keller erbaut, ist das Herzstück des 2015 um einen modernen Anbau erweiterten Boutique-Hotels. Nach Keller ist heute das Hotel-Restaurant benannt, für das der österreichische Chef Michael Gollenz 2021 den ersten Michelin-Stern Lošinjs erkochte. Passend zur Geschichte serviert das Team sogar ein klassisches Wiener Schnitzel, erzählt Sous-Chef Ivo Oršolič.

Wegen der guten Luft machte sich Lošinj früh einen Namen. Sie ist geprägt durch ein salzig-würziges Aroma, das sich nicht nur dem überall wuchernden Salbei, dem Rosmarin oder der Myrthe verdankt, sondern auch den über 300.000 Pinien, die Ambroz Haračić (1855-1916) einst anpflanzen ließ. Heute wacht er als Statue verewigt über die Bucht. „Haračić veränderte das Klima“, erklärt Tourismus-Direktor Dalibor Cvitkovic.

Als Meteorologe an der Seefahrtschule hatte der von der Insel stammende Professor Haračić Klimadaten über den Archipel Lošinj gesammelt. 1892 wurde Mali Lošinj, wo am Hafen unweit der Fischhalle noch heute das Gebäude der alten Seefahrtschule steht, zum Luftkurort erklärt. Das besondere Mikroklima soll nach örtlicher Lesart auch dem Zusammentreffen mehrerer Meeresströmungen zu verdanken sein.

Dass die Lošinjer Luft gesund sein muss, ließ 1885 schon der Sohn des österreichischen Balneologen und Lungenfachmanns Conrad Clar erahnen, der im Winter auf die Insel kam. „Er heilte hier sein Asthma“, sagt Cvitkovic: „Wenn man so will, war er der erste Gesundheitstourist.“ Heute verfolgen findige Unternehmer teils auch eigenwillige Pläne: Sie verkaufen Inselluft in Dosen gepresst als Gesundheitsprodukt zum Inhalieren. Offenbar soll das mehr sein als ein aberwitziges Souvenir. Noch besser: Man kommt selbst auf die Insel.

Die Adria zu Füßen

Und eifert zum Beispiel Kronprinz Rudolf nach, dem Sohn von Kaiser Franz Joseph: „Das war praktisch der erste Wandertourist”, meint Steno Vidulic. Der Vorsitzende des Bergwander-Clubs von Lošinj und der Nachbarinsel Cres begleitet Gäste auf Wunsch auf die höchsten Erhebungen des Archipels, wo die Luft dünner wird, aber ebenso wohlriechend ist. Den Osoršćica-Gebirgszug erklomm Rudolf anno 1887, wie eine Schautafel im Fischerort Nerezine am Startpunkt verrät.

Der steinige Wanderweg führt auf den 558 Meter hohen Sveti Mikul. Knorrige Steineichen kleiden die Hänge und Senken. Bald sind Anhöhen erreicht, die Nerezine im Inselosten und den benachbarten Ort Sveti Jakov nicht nur in den Augen der mitwandernden Kinder auf seltsame Weise klein erscheinen lassen. Dahinter die Adria, tiefblau, glatt.
 

Wer den Gipfel des Sveti Mikul erklimmt, wird mit einem tollen Blick auf die Adria und die umliegenden Inseln belohnt. Foto: Stefan Weißenborn
Wanderführer Steno Vidulic geht beim steilen Abstieg vom Sveti Mikul voran. Foto: Stefan Weißenborn

Ermüdungserscheinungen der Nachwuchs-Trekker begegnet Steno mit einigen Tipps. „Ihr könnt bei jedem Schritt das Bein durchdrücken, das entlastet die Oberschenkel.“ Und wer einatme und erst zwei Sekunden später wieder ausatme, komme nicht so schnell aus der Puste. In der Luft Lošinjs funktioniert diese Atemtechnik besonders gut, will man meinen. Zumindest geht es jetzt wieder voran. Nachdem auch zwei Schafe als Fotomodells für die Kinder die Motivation neu beleben und die Erwachsenen die Luft von Zeit zu Zeit demonstrativ wertschätzend inhalieren, sagt Steno Vidulic nach fast zwei Stunden des Kraxelns: „Jetzt sind es nur noch ein paar Meter, der Bergkamm ist schon zu sehen.“

Hinter den letzten Steineichen lugt das Kreuz einer weißgetünchten Kapelle hervor, die den Gipfel markiert. Man könnte eine Stunde weiter wandern und auch den höchsten Gipfel des Lošinjer Bergmassivs, den Televrina (588 Meter), einnehmen. Steno zeigt Richtung Norden, wo sich eine grüne Kuppe noch ein Stückchen höher in den Himmel wölbt. „Aber warum?“

Nur vom Sveti Mikul biete sich ein derart schöner Ausblick, wie er sich zu Füßen des Wandergrüppchen ausbreitet: auf das südliche Lošinj und die zerklüftete Inselwelt in der Adria im milden Dunst des späten Nachmittags. Keine Luftaufnahme könnte besser sein. „Jetzt gibt es Energiebomben für euch“, sagt Steno und kramt eine Plastikdose mit getrockneten Feigen aus seinem Rucksack hervor. Die Erwachsenen verhaftet er zu einem Schluck Salbeischnaps aus seinem Flachmann, „ein Ritual“. Breites Grinsen.

Auf etwa 250 Wegekilometern kann man auf Lošinj wandern und mountainbiken. Während es schon im Juni für derlei Aktivitäten zu heiß werden kann, sei die Nebensaison dazu ideal, sagt Tourismusdirektor Cvitkovic. Fahrradfahrer dürfen dann auch entlang der Hafenpromenaden unterwegs sein, was in der Hochsaison untersagt ist. Cvitkovic strebt an, die 2,4 Millionen Gästeübernachtungen – der Großteil wird bisher im Sommer verzeichnet – besser aufs ganze Jahr zu verteilen.
 

Tourismusdirektor Dalibor Cvitkovic sieht viel Potenzial in der Nebensaison auf Lošinj. Foto: Stefan Weißenborn

Zauber der Nebensaison

Auch Hoteldirektor Wolny möchte mehr Gäste in der Nebensaison willkommen heißen und an die gesundheitstouristischen Pioniertage des Inseltourismus anknüpfen. „Schon vor über 120 Jahren gab es Studien zur Güte der Luft“, erläutert er. Während die meisten Hotels einstweilen zum Herbst jedoch noch schließen, lassen sich neu gebaute Ferienhäuser das ganze Jahr über beziehen. Im Garten der Ferienhaus-Villa im kleinen Ort Sveti Jakov auf einer Anhöhe über der zentralen Ostküste lassen sich im Oktober Zitronen und Oliven ernten und gleich in der eigenen Küche verarbeiten. Zitrusfrüchte, so bekommen wir es allerorten erzählt, gedeihen unter freiem Himmel nirgends so nördlich wie auf Lošinj.

Vom Ferienhaus aus ist es ein Fußweg von vielleicht zehn sehr kurzweiligen Minuten bis zur Bucht von Sveti Jakov mit ihrem einsamen Lanena-Strand: Der Pfad ist links und rechts von steinernen, von Hand aufgeschichteten Mauern eingefasst, ein letztes Stück im Schutz geduckter Bäume. Und dann liegt sie da, die kleine Bucht. Zwei vertäute Boote dümpeln auf dem Wasser, darunter der Grund.

 

Der Lanena-Strand in der Bucht von Sveti Jakov zeigt sich im Herbst meist menschenleer. Foto: Stefan Weißenborn

Im Tagesverlauf verirren sich, wenn es hochkommt, zehn Menschen hierher, die Worte „herrlich“ oder „wohltuend“ auf den Lippen, wenn sie wieder aus dem Wasser steigen. Wer schnorchelt, ist inmitten von Schwärmen kleiner Fische aus wahrscheinlich tausenden Tieren, ein Erlebnis, das es im sommerlich hochfrequentierten Kroatien so küstennah selten zu bestaunen gibt.

Zurück am Haus lodert im Holzkamin am Pool bald ein Feuer, dann glimmt die Glut. Der Fisch von Marktfrau Jozeta Bačinić in Mali Lošinj – Wolfsbarsch, Dorade und Tintenfisch – duftet schon, als wir von der Sauna im Ferienhaus-Souterrain ins nachtkühle Poolwasser steigen. Danach ein Fischmahl auf der Terrasse, wo es sich auch zu später Stunde mit einer leichten Jacke noch gut aushalten lässt. Was für Aussichten! Denken wir bei uns und beobachten wechselbad-betäubt die Fledermäuse im Tiefflug.

Lautlos und blitzschnell schießen sie zielgerichtet auf das blau leuchtende Pool-Rechteck, tauchen mit der Nasenspitze kurz ein, scheinen Wasser zu nippen. Auch das ist anders als im Sommer, aber nicht minder reizvoll, wenn die Sonne sich schon um 17 Uhr neigt und eine Gemütlichkeit einläutet, wie man sie vom High-Season-Kroatien kaum kennt.
 

Die Ortschaft Veli Lošinj liegt in einer engen Bucht an der Südostküste der Insel. Foto: Stefan Weißenborn

ARCD-Reiseservice

  • Anreise:
    Mit dem Auto bis Brestova in Istrien, von dort mit der Autofähre (www.jadrolinija.hr) nach Porozina auf Cres, ab dort noch 65 Kilometer bis Sveti Jakov bzw. 80 Kilometer bis Mali Lošinj.
  • Unterkünfte:
    Novasol bietet Ferienhäuser auf Lošinj an, darunter solche der Luxury-Collection (www.novasol.de).
    Die Kette Lošinj Hotels & Villas unterhält in der Čikat-Bucht mehrere Hotels und Ferienunterkünfte, darunter das Boutique-Hotel Alhambra und das familienorientierte Hotel Bellevue, beides 5-Sterne-Häuser (www.losinj-hotels.com).
    Der Campingplatz an der Bucht mit normalen Parzellen fürs eigene Zelt bis zu Glamping-Behausungen hat bis 5. November geöffnet (www.camp-cikat.com).
  • ARCD-Buchungsservice:
    Diese und weitere Unterkünfte sowie Flüge und Mietwagen für Ihre Reise nach Lošinj können Sie auch ganz bequem beim ARCD Reisebüro buchen. Kontakt: Tel. 0 98 41 / 4 09 150 oder info@arcd-reisen.de
  • Aktivitäten:
    Wandern und segeln kann man zum Beispiel mit Steno Vidulic (steno.vidulic@inet.hr). Preise und individuell gestaltbare Touren auf Anfrage.
    Im Herbst, wenn die Tiere oft küstennah unterwegs sind, bietet sich auch eine Delfin-Beobachtungstour an, rund um Lošinj lebt eine Population von rund 200 Tieren (www.dolphin-watching.com).
    Weitere Outdoor-Aktivitäten auf der Website des Tourismusbüros (siehe „Auskünfte“).
  • Auskünfte: www.visitlosinj.hr/de

Titelfoto: stock.adobe.com/© ilijaa


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