Renault Espace E-Tech Full Hybrid 200:
Leider nur noch gewöhnlich
Es ist eine knifflige Sache, wenn wir Dingen Eigennamen geben. Diese Wörter können eine enge Beziehung eingehen mit dem, was sie beschreiben. Wie kleine Klebezettelchen heften wir ihnen gedanklich Eigenschaften und Funktionen an, die wir im Laufe der Zeit untrennbar mit dem beschriebenen Gegenstand verbinden. Ein Tisch ist ein Tisch. Ein Golf ist ein praktisches Auto der Kompaktklasse, mit dem man sich überall sehen lassen kann. Ein Porsche 911 ist ein teurer Sportwagen mit Heckmotor. Und ein Renault Espace ist ein, Moment mal, SUV?
Tatsächlich ist das inzwischen so. Die Zeiten, als der Espace noch ein geräumiger Van war, sind 2023 leider endgültig passé. Keine Frage, geräumig ist auch die neue sechste Generation des Franzosen. Aber das Konzept hat sich grundlegend gewandelt. Man möchte sagen: dem Zeitgeist gebeugt.
Auf den vorderen Plätzen sitzt man bequem vor einer serienmäßigen Bildschirmlandschaft aus digitalem Kombiinstrument (12,3 Zoll) und großem Touchscreen in der Mittelkonsole im Hochformat (12 Zoll). In der zweiten Reihe finden drei Erwachsene ebenfalls großzügige Platzverhältnisse vor. Zusätzliche Luftigkeit erhält der Innenraum, wenn das Panoramaglasdach für 1.000 Euro geordert wurde, was aber in der Basisausstattung Techno nicht möglich ist. Die 1,33 x 0,84 Meter große Glasfläche lässt sich weder öffnen noch durch ein Rollo verhüllen. Eine spezielle Beschichtung soll UV- und Infrarotstrahlen außen vor lassen und dafür sorgen, dass sich der Innenraum nicht ungebührlich aufheizt. Bei mehrstündigen Fahrten unter gleißender Sonne konnten wir uns davon überzeugen, dass das offenbar funktioniert.
Gegen den Trend schrumpft der Espace der sechsten Generation gegenüber seinem Vorgänger in der Höhe (-3,6 cm), Breite (inkl. Außenspiegel -4,5 cm) und Länge (-13,6 cm). Trotzdem bleibt im Heck noch Platz für eine optionale dritte Sitzreihe, die Erwachsenen jedoch nur für kurze Strecken zu empfehlen ist. Ein echter Van-Ersatz ist das nicht mehr. Bemerkenswert: Die Plätze sechs und sieben sind aufpreisfrei. Der neue Espace kostet als Fünf- und als Siebensitzer gleich viel. Nachrüsten lassen sich die beiden Sitze im Kofferraum laut Renault jedoch nicht. Wer sich für sie entscheidet, sollte reiflich überlegen, ob er die zusätzlichen Plätze wirklich braucht. Die Einbuße beim regulären Ladevolumen von 581 auf 477 Liter macht sich deutlich bemerkbar.
Sparsamer Vollhybrid
Ab 43.500 Euro ist der Espace bereits sinnvoll ausgestattet mit adaptiven LED-Scheinwerfern, Klimaautomatik, Rückfahrkamera und weiteren hilfreichen Assistenten. Gleichzeitig ist er gute 10.000 Euro günstiger als sein Vorläufer, den es nur mit Diesel gab. Den soll nun ein Benzin-Vollhybrid mit 146 kW/199 PS Gesamtleistung vergessen machen.
Obwohl lediglich ein 1,2 Liter kleiner Dreizylinder den Verbrennerpart übernimmt, entpuppte sich der Antriebsstrang auf Testfahrten über Autobahnen und Bergsträßchen als erstaunlich kultiviert. Häufige Rekuperation sorgte für stetige Stromzufuhr in den 1,7-kWh-Akku, der somit Energie fürs Gleiten und Beschleunigen kontinuierlich zur Verfügung stellte. Über rund 200 Kilometer blieben wir laut Bordcomputer bei einem Verbrauch von klar unter sechs Litern. Das versöhnt zumindest ein wenig mit der Wandlung des einst revolutionären Espace zu einem guten, aber letztlich doch auch gewöhnlichen SUV.
Daten Renault Espace E-Tech Full Hybrid 200
- Motor: Vollhybrid: 1,2-l-Dreizylinder-Benziner, 69 kW/131 PS, 230 Nm bei 1750/min; E-Motoren, 50 kW/68 PS und 18 kW/25 PS, 205 Nm; Systemleistung 146 kW/199 PS
- Antrieb, Getriebe: Front, Multi-Mode automatisch
- 0–100 km/h, Spitze: 8,8 s, 174 km/h
- Normverbrauch: 4,9 l S (WLTP), 110 g CO2/km (WLTP)
- Länge x Breite x Höhe: 4,72 x 1,84/2,08 x 1,65 m
- Radstand, Wendekreis: 2,74 m, 11,6 m (10,4 m mit optionaler Allradlenkung)
- Kofferraum: 581–1.818 l [159–1.714]
- Leergewicht, Zuladung: 1.659 kg [1.694 kg], 396 kg [561 kg]
- Anhängelast: 1.600 kg [1.500 kg]
- Stützlast, Dachlast: 85 kg, 80 kg
- Tankinhalt: 55 l
Preis: ab 43.500 Euro
Werte in eckigen Klammern: Siebensitzer
Die Espace-Metamorphose
Innen geräumig, außen kompakt, hohe Variabilität, Platz für bis zu sieben Erwachsene: So sorgte der erste Renault Espace 1984 für Aufsehen und gilt als europäischer Urahn zahlreicher Großraumlimousinen. In den folgenden vier Jahrzehnten blieb das spacige Mobil seinem Grundkonzept lange treu, um sich letztlich doch der SUV-Welle zu beugen.
Espace I (1984 bis 1990)
Europas erste Großraumlimousine mit sogenannter One-Box-Architektur, Innenraum mit sieben Einzelsitzen, Vordersitze um 180 Grad drehbar, Karosserie aus Stahl mit Außenhaut aus Kunststoff, auch mit Allrad, 4,25 Meter lang.
Espace II (1991 bis 1996)
18 Zentimeter länger als die erste Generation, strömungsgünstigere Karosserie, auch mit V6-Benziner (110 kW/150 PS), Drei-Wege-Katalysator, hintere Einzelsitze um 180 Grad drehbar. Allrad und Automatik als Optionen, 4,43 Meter lang.
Espace III (1996 bis 2002)
Erstmals auch als Langversion Grand Espace (erster Van mit vier EuroNCAP-Sternen), quer eingebaute Vierzylinder-Motoren, ab 2001 viersitzige Van-Coupé-Variante Renault Aventime, 4,52 oder 4,79 Meter lang.
Espace IV (2002 bis 2014)
Fünf EuroNCAP-Sterne, bis zu zehn Airbags, Abkehr von Leichtbau-Skelettkarosserie zugunsten selbsttragender Stahlblechkarosserie mit Anbauteilen aus unterschiedlichen Materialien, 2,16 Quadratmeter großes Schiebedach, drei Facelifts, 4,66 oder 4,86 Meter lang.
Espace V (2015 bis 2023)
Konzeptänderung weg vom Van, hin zum Crossover als Mischung aus Van, Limousine und SUV, Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, optional dynamische Allradlenkung, zahlreiche Fahrerassistenzsysteme, 4,86 Meter lang.
Alle Fotos: Renault