Ein Erfolgsmodell: 20 Jahre „Begleitetes Fahren mit 17“
Nach Fahrschule und bestandener Führerscheinprüfung nicht direkt auf sich allein gestellt im Auto zu sitzen, ist das größte Privileg beim „Begleiteten Fahren mit 17 Jahren“ (BF17). Vor 20 Jahren – im April 2004 – startete der erste Modellversuch in Niedersachsen. Wir haben mit ehemaligen Fahranfängern, aktuellen jungen Fahrern mit Begleitung und Experten gesprochen. Zudem erzählen wir eine persönliche Erfahrungsgeschichte.
Für die Fahrten zu seiner ländlich gelegenen Ausbildungsstelle nutzt Max Brunner hauptsächlich die Bahn. Doch wenn seine Eltern ihn spätabends am Bahnhof mit dem Auto abholen, setzt sich der 17-Jährige selbst hinter das Lenkrad. Um Fahrpraxis zu sammeln. Der junge Mann nutzt wie viele das Angebot „Begleitetes Fahren mit 17 Jahren“ – kurz: BF17 –, „um mehr Sicherheit zu bekommen“, wie er sagt. „Man hat zwar die Führerscheinprüfung bestanden, aber allein im Auto zu sitzen, das ist schon etwas anderes“, erzählt Max Brunner. Ihm gebe es ein gutes Gefühl, dass Mutter oder Vater neben ihm sitzen und in kniffligen Momenten helfende Tipps geben können. Und sei es nur, wenn das Auto mitten auf der Kreuzung ausgeht …
Es war im April 2004, als ein Bundesland im Norden trotz aller Widerstände den Modellversuch startete. Die Idee: Bereits mit 17 Jahren dürfen junge Menschen nach bestandener Führerscheinprüfung ans Steuer – aber nicht allein, sondern in Begleitung eines Erziehungsberechtigten. Von vielen Seiten hagelte es Kritik, doch Niedersachsen setzte das Konzept um. „Ich bin den Niedersachsen recht dankbar, dass sie damals 2004 im Alleingang dieses Modellprojekt eingeführt haben“, sagt Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR). Damals habe es auch eine Empfehlung des Verkehrsgerichtstages in Goslar für das Projekt gegeben, erzählt Wirsch. Der niedersächsische Modellversuch wurde nach und nach auf andere Bundesländer ausgedehnt und 2011 ging BF17 in Dauerrecht über. Für die Begleitpersonen gelten bundeseinheitliche Auflagen: Zum Beispiel darf die Begleitung maximal einen Punkt in Flensburg haben, muss mindestens 30 Jahre alt sein und sollte nüchtern (0,5-Promille-Grenze) sein. Egal ist, ob es sich dabei um Eltern, Freunde, Verwandte oder Mitarbeiter des Ausbildungsbetriebes handelt. Dass BF17 ein Erfolgsmodell ist, belegen mehrere Studien und auch die Statistik. Seit 2011 haben laut Kraftfahrt-Bundesamt über 4,4 Millionen Fahranfänger den „Führerschein mit 17“ gemacht. Eine Studie von 2019 hätte gezeigt, dass es bei BF17-Teilnehmenden eine um 23 Prozent niedrigere Unfallbeteiligung bei allen Unfällen im Straßenverkehr und bei Verkehrsverstößen eine niedrigere Beteiligung um 22 Prozent gebe, sagt Wirsch. „Offenbar gelingt es dadurch, ein besseres Fahrverhalten in der Praxis zu generieren und natürlich auch für Verkehrsverstöße eine höhere Sensibilität zu erlangen“, erklärt der DVR-Präsident. So gingen auch die Zahlen der 18- bis 21-jährigen Hauptverursacher von Verkehrsunfällen von 2013 bis 2022 deutlich zurück. Hier gab es eine beachtenswerte Reduzierung von 20.625 auf 14.089 Unfälle mit Personenschaden.
Offenbar gelingt es dadurch, ein besseres Fahrverhalten in der Praxis zu generieren
und für Verkehrsverstöße eine höhere Sensibilität zu erlangen.“
Wer sich für das „Begleitete Fahren mit 17“ entscheidet, kann bereits ein halbes Jahr vor dem 17. Geburtstag mit dem Führerschein beginnen und im besten Fall die Zeit mit Begleitung volle zwölf Monate auskosten. So hat es auch Laura Thülen gemacht. Die studentische Mitarbeiterin des DVR kommt ebenfalls aus einer ländlichen Gegend, wo man auf das Auto angewiesen und es üblich sei, möglichst früh einen Führerschein zu machen, erzählt sie. Die heute 21-Jährige nutzte jede Gelegenheit, um mit ihren Eltern an der Seite zu fahren. „Ich habe viele Fahrten übernommen, zum Beispiel zum Hobby“, sagt Laura Thülen. Das waren oft bekannte Strecken, aber auch mal weitere Fahrten über Landstraßen und Autobahnen bei Ausflügen. Da sie pünktlich zu ihrem 17. Geburtstag den Führerschein hatte, konnte sie das komplette letzte Schuljahr zum Fahren mit Begleitung nutzen und hatte dadurch nicht den Führerscheinstress gleichzeitig mit den Abiturprüfungen. „Am Ende habe ich gemerkt, dass ich mich ziemlich sicher fühle, und das haben auch meine Eltern so wahrgenommen. Sie hatten ein gutes Gefühl, mich ab meinem 18. Geburtstag alleine fahren zu lassen“, berichtet die Studentin.
"Am Ende habe ich gemerkt, dass ich mich sicher fühle,
und das haben auch meine Eltern so wahrgenommen.“
Auch Marco Lunz wollte damals schnell mobil und unabhängig sein. Der 24-Jährige arbeitet in der ARCD-Touristikabteilung und hat seinen Führerschein während seiner Ausbildung in der Clubzentrale gemacht. Da dies gleichzeitig zu den schulischen Prüfungen verlief, blieben ihm am Ende noch zwei Monate Begleitetes Fahren, bevor er 18 Jahre alt wurde. Die kurze Zeit hat er dafür intensiv genutzt, vor allem um sich auf das Familienauto einzustellen. Vom BMW 1er der Fahrschule zum Siebensitzer sei das schon eine gewisse Umstellung gewesen.
„Es gibt einem mehr Sicherheit, vor allem bei einem anderen Auto,
wenn jemand erklärt, wo was ist.“
„Es gibt einem mehr Sicherheit, vor allem bei einem anderen Auto, wenn jemand erklärt, wo was ist. Jedes Auto bedient sich anders“, erzählt er. Marco Lunz ist viel im ländlichen Bereich gefahren, hat aber auch Erfahrung in den nahe gelegenen Großstädten gesammelt. „Wenn man den Führerschein hat, muss man regelmäßig fahren. Aber fahren kann man eigentlich noch nicht so richtig nach der Fahrschule“, sagt Lunz. Seine Eltern hätten die Zeit der Begleitung auch gut gefunden und es sei für sie dann okay gewesen, als er mit 18 allein fahren durfte. „Ich würde das auf jeden Fall wieder so machen. Das fanden alle sinnvoll, auch mein Fahrlehrer stand da voll dahinter“, erzählt der ARCD-Touristiker.
Obwohl es auch in anderen europäischen Ländern Begleitetes Fahren gibt, dürfen BF17-Führerscheinbesitzer nur in Deutschland und Österreich fahren. Immer wieder ist die Rede von einem BF16-Modellversuch, bei dem junge Menschen mit 16 Jahren begleitet fahren dürften. Man solle das Modell BF17 forcieren mit einer Ausdehnung der Begleitphase, meint Manfred Wirsch. „Es ist ja auch oft festzustellen, dass je länger die Begleitphase ist, umso besser sind dann auch die Zahlen“, erklärt der DVR-Präsident. Eine Umfrage unter Begleitpersonen aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 37 Prozent der Führerscheinneulinge die Begleitung neun bis zwölf Monate vor dem 18. Geburtstag begonnen hätten. 23 Prozent gaben sechs bis acht Monate an. 2014 antworteten befragte „BF17ler“, im Durchschnitt 8,4 Monate begleitet und circa 2.500 Kilometer gefahren zu sein, nur etwa ein Viertel kostete die möglichen zwölf Monate voll aus.
„Man bekommt zusätzlich Übung mit jemandem, der Erfahrung hat
und in schwierigen Situationen helfen kann.“
Die Gründe dafür sind sicherlich unterschiedlich: Geldmangel, zeitgleiche Abschlussprüfungen oder fehlende Zeit für Fahrstunden während einer Ausbildung. Ein paar Freunde würden sich bewusst gegen einen Führerschein mit 17 Jahren entscheiden und wollen noch warten, berichtet Max Brunner. „Ich kann ehrlich gesagt nicht verstehen, was an BF17 schlecht sein soll.“ Er könne sich gut vorstellen, dass es schon heikle Momente gebe, in denen man überfordert sei, wenn man mit 18 Jahren komplett auf sich allein gestellt ist. Bis jetzt fand er es immer gut, dass seine Eltern als Beifahrer dabei sind. „Man bekommt zusätzliche Übung mit jemandem, der Erfahrung hat und in schwierigen Situationen helfen kann.“
Erste Erfahrungen im Winter und in der Großstadt
„Kurz vor meinem 18. Geburtstag startete der Modellversuch BF17 2005 in Bayern. Für mich war klar, dass ich zumindest für die verbleibende Zeit zusätzliche Erfahrung sammeln möchte. Drei Monate lang nutzte ich das Begleitete Fahren ausgiebig, ich hatte fünf Personen eintragen lassen, um möglichst viel fahren zu können. So übernahm ich meine Eltern- und Großeltern-Taxifahrten selbst und kutschierte mich von A nach B. Und das mitten im oberfränkischen Winter – für mich ein echter Gewinn. Meine erfahrenen Begleiter brachten mir bei, wie ich bei Glatteis am Berg anfahre und wie ich mich aus einer Schneewehe am Straßenrand selbst befreien kann. Auch wenn es solche extremen Wetterlagen nur noch selten gibt, ich lasse mich seither davon nicht beeindrucken. Erinnern kann ich mich gut an meine erste Fahrt in die Großstadt. Zum Bummeln ging es nach Nürnberg und ich bekam leichte Panik, als mich plötzlich die Straßenbahn anbimmelte und ich nicht wusste, wie ich mich verhalten soll. Der Rat vom Beifahrersitz war goldwert.
Mittlerweile habe ich viele tausende Kilometer unfallfrei – toi, toi, toi – zurückgelegt und mich immer sicher hinter dem Steuer gefühlt. Seit mehreren Jahren beschäftige ich mich beruflich mit Autos und Verkehrssicherheit und kann nur bestätigen, dass BF17 ein echtes Erfolgsmodell ist, das nutzen sollte, wer die Möglichkeit dazu hat.“
Jessica Blank
Titelfoto stock.adobe.com/© New Africa