11.10.2019 Bettina Glaser

 

Gefährliche Dooring-Unfälle: Unerwartetes Hindernis

Ausweichen ist fast nicht möglich, zum Bremsen ist es für Rad- oder E-Scooter-Fahrer meist zu spät. Wenn sich die Tür eines am Straßenrand geparkten Autos ­urplötzlich öffnet, ist ein Unfall kaum mehr zu ­verhindern. Mit den gerade auf den Markt gekommenen Elektrokleinstfahrzeugen könnten diese sogenannten Dooring-Unfälle, die oft schwere Verletzungen zur Folge haben, weiter zu­nehmen. Um sie zu vermeiden, können alle Verkehrsteil­nehmer etwas tun.


Nicht nur Fahrradfahrer, sondern auch Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen sind von Dooring-Unfällen betroffen. Foto: Thomas Schreiner

Einen deutschen Begriff gibt es für Dooring-Unfälle, die sich an der englischen Bezeichnung „door“ für Tür orientieren, (noch?) nicht.  Das ist vielleicht ein Zeichen dafür, wie sehr die Gefahr einer Kollision eines Rad- oder E-Scooter-Fahrers mit einer sich öffnenden Fahrzeugtür unterschätzt wird.

Unfälle mit schweren Verletzungen

Selbst Zahlen in der offiziellen bundesweiten Unfallstatistik fehlen bislang, da der Unfalltyp 581/582 nur in einigen Bundesländern erhoben wird. Wie eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) auf Basis der eigenen Unfalldatenbank mit 416 Pkw-Radfahrer-Unfällen zeigt, ergibt sich so eine Unfallsituation in Deutschland bei rund jedem 14. Pkw-Radfahrer-Unfall (sieben Prozent). Das klingt zunächst nicht sehr häufig, jeder fünfte endet aber mit einer schweren Verletzung für den Radfahrer: oft mit Kopfverletzungen und Schädigungen der Beine (je 40 Prozent). Experten beobachten eine Zunahme dieser Dooring-Unfälle. Und mit Legalisierung der Elektrokleinstfahrzeuge im Straßenverkehr werden diese vermutlich weiter ansteigen.

Schwerpunkt von Dooring in Städten

Fest steht: Solche Dooring-Unfälle passieren überwiegend in Städten an Straßen, wo Radler oder Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen direkt an parkenden Fahrzeugen vorbeifahren. Also dort, wo kein von der Fahrbahn baulich getrennter Fahrradweg vorhanden ist.  So meldete der Hamburger Senat für 2017 146 Dooring-Unfälle mit 133 Verletzten, der ADFC für Berlin im gleichen Jahr drei Tote und pro Tag im Schnitt zwei Dooring-Unfälle, die polizeilich registriert wurden.
Für Radfahrer ist es kaum möglich, eine Kollision mit einer sich plötzlich öffnenden Fahrzeugtür zu vermeiden, wie Crashversuche der TU Berlin im Fachgebiet Kraftfahrzeuge  gezeigt haben (s. Skizze rechts). Demnach muss ein Radler mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h mindestens elf Meter von der Tür entfernt sein, um bis zum Stillstand bremsen zu können (bei einer Reaktionszeit von einer Sekunde und einer Verzögerung von 3 m/s2). Sechs Meter vor der Tür – also drei bis vier Meter vom Heck des Fahrzeugs entfernt – würde der Radfahrer fast ungebremst gegen die Tür prallen. Ein Ausweichmanöver kommt wegen überholender Fahrzeuge oft überhaupt nicht in Frage

Mit Rücksicht Unfälle vermeiden

Damit solche Unfälle erst gar nicht geschehen, gilt für Autoinsassen folgender Grundsatz aus Paragraf 14 der Straßenverkehrsordnung: „Wer ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer am Verkehr Teilnehmenden ausgeschlossen ist.“ Dennoch müssen auch Radfahrer ausreichend Abstand zu parkenden Autos halten – mindestens einen Meter. Nach dem ARCD-Motto  „Rücksicht statt Risiko“ ist es wichtig, dass alle Verkehrsteilnehmer etwas tun, um Dooring-Unfälle zu vermeiden: sowohl Autofahrer als auch Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen und Fahrrädern. Welche Möglichkeiten es gibt und was es in diesem Zusammenhang mit dem Holländischen Griff auf sich hat, lesen Sie unten. Da als Folge von Dooring-Unfällen häufig gefährliche Kopfverletzungen vorkommen, sollten Fahrradfahrer und Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen als Schutz einen Helm tragen.

Unterstützung durch Fahrzeugtechnik

Zusätzlich kann der Ausstiegswarner die Fahrzeuginsassen unterstützen. Dieses Fahrerassistenzsystem ist in manchen Fahrzeugmodellen bereits verbaut. Es warnt beispielsweise in der A-Klasse von Mercedes mit einem Blinken im Außenspiegel und einem Ton, wenn sich ein Fahrradfahrer nähert. Beim Audi A6 verzögert ein elektronischer Schließmechanismus das Öffnen der Tür um eine knappe Sekunde. Zusätzlich leuchtet ein Dauerlicht im Außenspiegel. Jedoch müssen sich die Autoinsassen auch über die Grenzen des Ausstiegswarners bewusst sein und dürfen sich nicht ausschließlich darauf verlassen. Durch andere parkende Fahrzeuge, Schnee oder Verschmutzung kann nämlich der Blick der Sensoren eingeschränkt werden. Dadurch warnt das Fahrzeug nicht mehr zuverlässig.
Mit der Kampagne „Kopf drehen, Rad Fahrende sehen!“  will auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) seit Kurzem auf die Gefahr durch Dooring-Unfälle aufmerksam machen. Denn nur, wenn alle Verkehrsteilnehmer achtgeben, kann diese gefährliche Art der Unfälle vermieden werden.

Das können Autofahrer tun:

  • Sich vor dem Aussteigen vergewissern, dass sich kein E-Scooter oder Fahrrad nähert: nach vorne und hinten schauen, absichern über die Spiegel und einen zusätz­lichen Schulterblick machen.
  • Die Holländer machen’s vor: Mit dem sogenannten ­Holländischen Griff öffnet der Fahrer die Tür mit der ­rechten Hand. Auf diese Weise wendet er den Ober­körper automatisch nach hinten und hat vor dem Öffnen der Tür andere Verkehrsteilnehmer im Blick. Funktioniert auch auf der Beifahrerseite mit der linken Hand.
  • Der Fahrer sollte auch andere Mitfahrende auffordern, vor dem Aussteigen nach dem Verkehr zu schauen.

Das können Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen oder Fahrrädern tun:

  • Für mehr Sichtbarkeit und Kopfschutz (siehe Helme rechts unten) sorgen.
  • Mindestens einen Meter Abstand zu parkenden Fahrzeugen halten. Eine gute Regel zur Orientierung ist dabei, dass Radfahrende auf der Fahrbahn dort fahren, wo sonst die rechten Räder der Kraftfahrzeuge ihre Spur haben. Der Bereich ist auf der Fahrbahn durch die leichte Vertiefung oder eine etwas andere Oberfläche des Asphalts erkennbar.
  • Langsamer und besonders vorsichtig an parkenden ­Autos vorbeifahren, bremsbereit sein.
  • Hinweise (z. B. Beleuchtung am Fahrzeug) deuten.
  • Vom Schutzstreifen auf die Straße wechseln, falls kein ausreichender Abstand zu parkenden Autos möglich ist.

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