18.03.2024 Bettina Glaser

Woher kommen die Verkehrszeichen?

Rund 25 Millionen Verkehrsschilder in Deutschland geben an, wie wir uns im Straßenverkehr verhalten sollen, und weisen den Weg. Dahinter steckt viel mehr als die meisten Menschen vermuten, die an ihnen mit Fahrzeugen oder zu Fuß vorbeieilen. Wir haben den Mitarbeitern eines Schilderwerks über die Schultern geschaut.


Kersten Asmus blättert im Katalog der Schilderwerk Beutha GmbH und erzählt dabei von den vielen Anforderungen rund um die Verkehrsschilder in Deutschland. „25.000 Produkte haben wir im Sortiment“, berichtet der stellvertretende Leiter der Niederlassung des Schilderwerks in Nürnberg. Natürlich zählen dazu nicht nur Verkehrszeichen, sondern auch Fluchtwegschilder, Hausnummern oder Parkplatzbeschilderungen. Trotzdem nehmen Verkehrszeichen gemäß der Straßenverkehrsordnung (StVO) einen großen Teil der Produktion ein. Im Prospekt sind es mehr als 100 Seiten. Jede Abbildung ist mit der offiziellen Nummer aus dem Verkehrszeichenkatalog versehen. Und jedes Schild muss so produziert werden, dass es am Ende der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) und weiteren Regelungen entspricht und StVO-konform ist. Diese Schilder bestellen vor allem Mitarbeiter von Bauhöfen, Gemeinden oder Baufirmen aus Bayern und Baden-Württemberg im Werk in Nürnberg – einem von fünf Standorten des Unternehmens mit mehr als 200 Beschäftigten. Teils als Neubeschilderung, teils um nach den regelmäßig vorgeschriebenen Verkehrsschauen alte oder beschädigte Schilder auszutauschen. Oder, was laut Asmus vor allem bei Ortstafeln häufig vorkommt, um geklaute Schilder zu ersetzen.

Innerhalb von fünf bis zehn Arbeitstagen bekommen die Auftraggeber die neuen Schilder geliefert. Währenddessen werden sie im passenden Druckverfahren für das jeweilige Verkehrszeichen produziert: Einzelschilder und mehrfarbige Schilder werden im Digitaldruckverfahren gedruckt. Für Schilder, von denen viele benötigt werden, nutzen die Mitarbeiter des Nürnberger Werks den Siebdruck. Und Zusatzzeichen mit Symbolen oder größerem Text werden per Folienplott auf den Träger gebracht. Damit alles seine Richtigkeit hat, dürfen nur zertifizierte Hersteller – davon gibt es 17 in Deutschland – Verkehrszeichen herstellen. Diese werden einmal jährlich von Prüfern der Güteschutzgemeinschaft kontrolliert. Und sie nutzen laut Asmus auch nur Materialien wie Folien oder Halterungen von geprüften Zulieferern. Erst dann kann ein Verkehrsschild am Ende der Produktion den Aufkleber mit CE-Zeichen und RAL-Gütezeichen bekommen und damit zu einem vollwertigen Element im Straßenverkehr werden.   
      

Vorschriften bis ins kleinste Detail

Schildgröße

Die erforderliche Mindestgröße der Verkehrszeichen hängt laut Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) von der gültigen Höchstgeschwindigkeit am Aufstellort ab. Die Tabelle zeigt Beispiele.
 

Reflexionsklasse

Wie stark ein Verkehrszeichen reflektieren sollte, ist im Merkblatt für die Wahl der lichttechnischen Leistungsklasse von vertikalen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen festgelegt. Unterschieden werden die drei Retroreflexionsklassen RA 1, 2 und 3 (Abbildung unten) mit verschiedenen Mindestrückstrahlwerten. 
 

Die hauchdünnen Folien sind mit eingebundenen bzw. eingekapselten Mikroglasperlen oder -prismen aufgebaut. Die Stärke der Umfeldbeleuchtung und der störende Einfluss von externen Lichtquellen am Schilderstandort beeinflussen die Auswahl der Reflexionsklasse.
 

Träger

Flachform, Alform oder Rundform? Auch der Träger der retroreflektierenden Folie muss ausgesucht werden. Der stellvertretende Werksleiter der Schilderwerk Beutha Gmbh in Nürnberg Kersten Asmus zeigt links ein Flachform- und rechts ein Alform-Schild und nennt ein Beispiel: „Dort, wo Randale sein könnte – wie in der Nähe von Stadien – wählt man Alform, weil die Verletzungsgefahr hier geringer ist.“
 

Foto: Bettina Glaser

Einblick in die Produktion eines Schilderwerks

Digitaldruck

Foto: Bettina Glaser

Verkehrsschilder mit individuellem Inhalt wie Ortsschilder werden zunächst am Computer vorbereitet und vom Kunden freigegeben, damit sich kein Fehler einschleicht.

 

Foto: Bettina Glaser

Die Digitaldruckmaschine druckt die Farbe direkt auf die Folie – hier entstehen zwei Umleitungsschilder. Auch Einzelschilder und mehrfarbige Schilder können so gefertigt werden.

Foto: Bettina Glaser

Damit Umwelteinflüsse das Schild nicht vorschnell altern lassen, erhält es einen Schutzfilm gegen UV-Strahlen. Auch gegen Vandalismus kann man hier einen Antigraffiti- oder einen Antihaft-Schutzfilm gegen Sticker auftragen.

 

Foto: Bettina Glaser

So genau wie diese Maschine können Menschen nicht arbeiten: Dank Kameraunterstützung wird die Schilderfolie exakt zugeschnitten, damit sie auf den Aluminiumträger perfekt passt.

Siebdruck

Foto: Bettina Glaser

Anders als beim Digitaldruck wird beim Siebdruck auf Masse produziert. Hierbei werden zugeschnittene Folien zertifizierter Hersteller bedruckt.

 

Foto: Bettina Glaser

Razvan Durac setzt den Siebeinsatz für ein Überholverbot-Verkehrszeichen in die Siebdruckmaschine ein.

Foto: Bettina Glaser

Nun kommt Farbe ins Spiel. Die Siebdruckmaschine trägt eine dünne Schicht aus original genormtem Verkehrsrot auf die Schablone auf und färbt so den Rand und das Pkw-Symbol auf der Folie rot ein. 

 

Foto: Bettina Glaser

Beim Probedruck misst Durac genau nach, ob der Druck mittig sitzt und die Abstände passen, und überprüft so, ob die Maschine richtig eingestellt ist. Erst dann druckt er rund 30 Folien und kontrolliert diese immer wieder stichprobenmäßig.

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Die Folien werden nach und nach zum Trocknen im Ofen auf einen großen Wagen gelegt. Erst später druckt Durac den zweiten Teil des Verkehrszeichens in Schwarz.

 

   

Folienplott

Foto: Bettina Glaser

Größerer Text wie bei Straßennamen oder einfachere und einfarbige Motive wie das Zusatzzeichen 1022-10 „Radverkehr frei“ können per Folienplott produziert werden. Am Computer wird beispielsweise ein Straßenschild oder ein Zusatzzeichen erstellt und dann die Schrift oder das Motiv mit dem Plotter aus einer selbstklebenden Folie ausgeschnitten. Das überschüssige Material wird entfernt und das Motiv auf den Träger geklebt.

 

Schlosserei

Foto: Bettina Glaser

Marius Birleamu legt Hand an: In der Schlosserei der Schilderwerk Beutha Gmbh biegt er mit Werkzeug die passenden Rahmen für Schilder zurecht. Hier entsteht der achteckige Rahmen eines Stoppschilds in der Werkstatt. Das Material wird von zertifizierten Stahlbauern zugeliefert.

 

Foto: Bettina Glaser

Passend für die verschiedenen Schildergrößen und -arten werden die Randprofile gelagert, bevor sie auf die Schilder aufgezogen werden.

Weiterverarbeitung zum Schild

Foto: Bettina Glaser

Die bedruckte Folie (Sign Face) und den Aluminiumträger bringt Adam Buchowiecki zu einem Schild zusammen. Den Staubwedel hat er dabei stets griffbereit, damit kein Staubkorn das Ergebnis beeinträchtigt. Außerdem achtet er darauf, dass nichts verrutscht und das Sign Face gerade auf dem Aluminiumträger liegt, denn wenn ihm ein Fehler unterläuft, muss er das Schild wegwerfen. „Der Kleber hält so fest, das bekommt man nicht mehr herunter“, erzählt er. Mit einer Walze rollt er langsam über die Folie, um diese sauber und ohne Luftbläschen zu befestigen.

 

Foto: Bettina Glaser

Bevor das fertige Schild an den Besteller ausgeliefert wird, bringt Buchowiecki einen Aufkleber mit dem Herstellerlabel, dem CE-Zeichen und dem RAL-Gütezeichen an und damit den Nachweis aller in der StVO und im Verkehrszeichenkatalog geforderten Eigenschaften. „Jetzt darf an dem Schild nichts mehr verändert werden“, sagt er. Es dürfen nicht einmal einzelne Buchstaben nachgebessert werden. Mit allerlei Zubehör wie genormten Schrauben, Pfosten und Bodenhülse verlässt dann ein neues Schild per Post oder Lkw das Werk.

Titelfoto: stock.adobe.com/© stockphoto-graf


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